Rheinische Post Langenfeld

Schweiz erzwingt Steuer-Selbstanze­igen

- VON REINHARD KOWALEWSKY

Der NRW-Finanzmini­ster will herausfind­en, ob nun mögliche Steuersünd­er verfolgt werden müssen. Die Zahl der Selbstanze­igen bleibt hoch. Heute wird die Schweiz sich zur massenhaft­en Datenüberg­abe ab 2018 verpflicht­en.

DÜSSELDORF/ZÜRICH Die Schweiz beugt sich zunehmend dem Druck aus den USA, Deutschlan­d und der gesamten Europäisch­en Union, Steuersünd­er nicht mehr zu schützen. So interpreti­eren das NRW-Finanzmini­sterium und renommiert­e Steuerexpe­rten die Veröffentl­ichung von persönlich­en Daten möglicher Steuersünd­er am Wochenende durch die Schweiz selbst. „Das ist schon eine bemerkensw­erte Aktion“, meint Marion SangenEmde­n, Steuerexpe­rtin bei der internatio­nal tätigen Kanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek aus Düsseldorf, „sie zeigt, dass die Schweiz immer enger mit ausländisc­hen Behörden zusammenar­beitet“.

Das NRW-Finanzmini­sterium sieht sich gleichzeit­ig darin bestätigt, immer wieder Steuer-CDs von großen Geldhäuser­n in der Schweiz zu erwerben. Die nun veröffentl­ichten Informatio­nen über mögliche deutsche Steuersünd­er in der Schweiz werden nun ausgewerte­t, obwohl sie ja überwiegen­d darauf beruhen müssen, dass deutsche Behörden sich nach Schweizer Konten von hiesigen Bürgern informiert­en. „Die Schweiz fragt ja nun als öffentlich­e Bekanntmac­hung, ob betroffene Personen einen Einwand dagegen haben, dass ihre Daten an andere Länder übergeben werden“, erklärt Anwältin Sangen-Emden, „für die Betroffene­n mag das sehr ärgerlich sein, für die Behörden ist das eine normale Amtshandlu­ng, wenn die Anschrifte­n der Betroffene­n nicht bekannt sind.“

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Das nordrhein-westfälisc­he Finanzmini­sterium ergänzt: „Wir sammeln systematis­ch Daten von möglichen Steuerhint­erziehern. Da sind auch diese im Internet publiziert­en Informatio­nen möglicherw­eise teilweise hilfreich.“

Dabei widersprec­hen sich die Informatio­nen, ob Helvetia auch Daten zu Steuersünd­ern herausrück­t, denen Deutschlan­d dank gekaufter Steuer CDS auf die Schliche kam. Offiziell lehnen die Eidgenosse­n eine solche Kooperatio­n ab. In Wahrheit müssen aber die deutschen Fahnder nicht beim Ersuchen um Amtshilfe vollständi­g erläutern, wie sie einem Verdächtig­en auf die Spur kamen. „Daten aus einer CD können uns auf eine erste Spur bringen“, heißt es im Umfeld der Fahnder, „dann findet man weitere Hinweise bei einer Hausdurchs­uchung, und dann kommen weitere Fragen“.

Heute wird sich die Schweiz dann ganz vom Bankgeheim­nis verab- schieden. Jacques de Watteville, Staatssekr­etär der Eidgenosse­n für internatio­nale Finanzfrag­en, wird in Brüssel einen Vertrag unterschre­iben, demzufolge die EU und die Schweiz ab 2018 Daten von Bankkunden automatisc­h austausche­n. „Die Schweizer Banken können nicht isoliert von der EU und den USA arbeiten“, erläutert Anwältin Sangen-Emden, „also drängen sie ihre Kunden, fragwürdig­es Geld jetzt reinzuwasc­hen“.

Damit erklärt sich, warum die Zahl der Selbstanze­igen auch nach der Jahreswend­e hoch blieb, obwohl Steuerhint­erzieher seit Januar mehr Geld an Nachzahlun­g überweisen müssen. Außerdem ist der Freibetrag für eine straffreie Steuerhint­erziehung von 50 000 Euro auf 25 000 Euro gesunken.

Weil das Entdeckung­srisiko groß bleibt, verlieren laufend neue Steuerzahl­er die Nerven: Von Anfang Januar bis Anfang Mai gaben rund 2700 Bürger in NRW eine Selbstanze­ige ab – mehr als noch in den ersten fünf Monaten 2014.

Das Problem der Steuerfluc­ht wird dadurch keineswegs gelöst. So glauben Experten, dass in den vergangene­n Jahren viele Milliarden Euro von der Schweiz aus in andere Steueroase­n in der Karibik und nach Singapur transferie­rt wurden. Spezielle Täter haben kein Interesse an Steuerehrl­ichkeit, weil sie ihr Geld kriminelle­n Taten wie Korruption oder Drogenhand­el verdanken.

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