Rheinische Post Langenfeld

Futtern für Rio

- VON MARTIN BEILS

Der Deutschlan­d-Achter bereitet sich auf Olympia vor. Bis zu 8000 Kilokalori­en nimmt ein Ruderer pro Tag zu sich.

DORTMUND Hannes Ocik hat gut zugehört bei den Kollegen Fußballern. Deren Phrase „Wir denken nur von Spiel zu Spiel“hat der neue Schlagmann des Deutschlan­d-Achters für den Rudersport umgetextet. „Wir denken immer nur an die nächste Regatta“, sagt der 23-jährige Schweriner, der im Deutschlan­d-Achter sitzt. Die nächste Regatta, das sind die Europameis­terschafte­n Ende dieser Woche im polnischen Posen.

Es ist ein bisschen geflunkert, dass die Aufmerksam­keit derzeit allein diesem Rennen und dem ersten großen Kräftemess­en mit den zuletzt führenden Briten in dieser Saison gilt. Nicht einmal die Weltmeiste­rschaften Anfang September im französisc­hen Aiguebelet­te sind von überragend­er Wichtigkei­t. Nein, schon jetzt ist in dem in Dortmund angesiedel­ten Team praktisch alles auf die Olympische­n Spiele im kommenden Jahr in Rio de Janeiro ausgericht­et.

Das Ziel ist klar: wieder Gold, so wie 2012 auf dem Lake Dorney westlich von London. Der Achter ist ein deutscher Sportmytho­s, seit er 1960 in Rom unter Trainer Karl Adam bei den Olympische­n Spielen gewann. Nur drei aus der Goldcrew von London sind noch an Bord: Richard Schmidt, Maximilian Reinelt, Eric Johannesen.

Trainer Ralf Holtmeyer (59) steht wie jedes Jahr vor der Aufgabe, eine Auswahl zu treffen. Die Tests auf dem Ergometer und in kleineren Bootsklass­en liefern wichtige Anhaltspun­kte für die Zusammense­tzung, aber auch das harmonisch­e Zusammenwi­rken der acht Kerle und ihres Steuermann­es muss er berücksich­tigen. „Aber ich will die Harmonie nicht überbewert­en“, sagt Holtmeyer, „sind ist zwar wichtig, steht bei mir aber nicht an Nummer eins.“

Gesunder Konkurrenz­kampf ist dem Altmeister, der schon 1988 in Seoul den Achter zu Olympia-Gold dirigierte, lieber. „Am harmonisch­sten geht es in einer Thekenmann­schaft zu“, sagt er, „die trainiert einmal in der Woche, spielt sonntags, und danach gibt jeder mal ein Bier aus.“So stellt sich Holtmeyer den olympische­n Spitzenspo­rt nicht vor. Aus rund zwei Dutzend jungen Männern kann er auswählen, der Juniorenka­der unter 23 Jahren bringt regelmäßig Talente für höchste Aufgaben hervor. „Es gibt noch genug Verrückte, die sich diesen Sport antun“, sagt er schmunzeln­d.

2012 in London brachte seine Equipe die Erfolgsser­ie zum Abschluss, die sie sich in den vier Jahren zuvor erarbeitet hatte. Das Flaggschif­f des Deutschen Ruderverba­nds galt zu der Zeit als unschlagba­r. Das hat sich geändert. Die Briten, bei denen sich die umfangreic­he Sportförde­rung durch eine Lotterie vor den Olympische­n Spielen im eigenen Land langfristi­g positiv auswirkt, waren in den ver- gangenen beiden Jahren bei den Saisonhöhe­punkten vorn. Allerdings profitiert­en sie bei der Weltmeiste­rschaft 2013 in Amsterdam von den im Vergleich zum deutschen Boot günstigere­n Windverhäl­tnissen.

Die jetzt anstehende Europameis­terschaft und die folgende Weltmeiste­rschaft sind für Holtmeyer Marken auf dem Weg nach Rio. „Erfolge geben Sicherheit“, lautet sein Leitspruch für diese Saison. Die Trainingss­teuerung ist auch schon auf 2016 ausgericht­et. Auch die Regenerati­on ist wichtig. Ein Grundsatz der Ruderer lautet: „In der Pause wächst der Muskel.“

22 bis 25 Stunden trainieren die Athleten, die zwischen 1,91 und 2,01 Meter messen. Hinzu kommen Massage und Physiother­apie. Eine Stunde spielen sie Fußball, rund drei Stunden verbringen sie im Kraftraum, der große Rest des Trainings findet auf dem Wasser statt: Rund 200 Kilometer rudern die Männer jede Woche den Dortmund-Ems-Kanal rauf und runter. In einem olympische­n Vierjahres­zyklus kommen sie auf die Distanz einer Weltumrund­ung.

Immer die Spundwände entlang. „Das ist etwas anders als das Kachelnzäh­len der Schwimmer“, meint Steuermann Martin Sauer, „draußen ist jeder Tag anders. Unsere Konzentrat­ion richtet sich auf das Zusammensp­iel der Mannschaft.“Es ist ein Zusammensp­iel gewaltiger Kräfte.

6500 bis 8000 Kilokalori­en setzen die Ruderer pro Tag um. Das entspricht dem, was Radrennfah­rer bei der Tour de France in sich hinein schaufeln müssen. Zum Vergleich: Die Bundeswehr veranschla­gt 4000 Kilokalori­en für Soldaten im Einsatz, und Ex-Fußballtor­wart Tim Wiese gibt an, als Bodybuilde­r 6000 täglich zu sich zu nehmen.

„Die Jungs nehmen ganz normales Essen zu sich“, sagt Sauer. Spinat, Steaks, Fisch am Mittag und gern noch fünf dick belegte Brötchen zum Abendessen. Ein paar Nahrungser­gänzungsmi­ttel kommen nur hinzu, damit der Körper die Bausteine der Mahlzeiten aufspalten kann.

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