Rheinische Post Langenfeld

Zwetschgen­datschikom­plott

- © 2015 DEUTSCHER TASCHENBUC­H VERLAG, MÜNCHEN

Der glaubt echt, dass ich auf der Brennsuppe daherkomm und er von mir was erfährt, haha. Aber da hat er sich gebrannt, gell.“„Nein, auf mich kannst dich schon verlassen, Susi. Kein Sterbenswö­rtchen, ich schwör’s! Heut hat er mir sogar mit dem Gewerbeamt gedroht, der Depp. Aber ich hab geschwiege­n wie ein Grab.“Pause. „Ja, danke, dir auch. Grüße an die Miriam! Servus, Bussi, Bussi!“

Wie der Wolfi in die Gaststube zurückkomm­t, da lehn ich schon an seinem Schnapsreg­al und bin eifrig damit beschäftig­t, es in Bewegung zu bringen. Und das ist gar nicht so leicht. Man muss nämlich tierisch aufpassen, dass man es nicht übertreibt. Die Flaschen sind ja alle gefüllt, die einen mehr, die anderen weniger, und man kann kaum berechnen, wie stark man dran zerren und schieben kann, ehe eine davon auf den Fußboden knallt. Oder sogar mehrere. Bisher aber hab ich noch alles ganz gut im Griff. Doch wer weiß, wie lange noch?

„Wage es ja nicht, Eberhofer“, wimmert der Wolfi jetzt, ohne dabei sein Trinkgut aus den Augen zu lassen.

„Wie viel ist das wohl wert, Wolfi? Tausend Euro? Zweitausen­d? Ein Jammer, wirklich“, sag ich und schieb weiter und zerre. Das Regal gerät bedenklich ins Wanken.

„Okay, Blödmann, dann knall’s doch auf den Boden! Mach doch meinetwege­n, was immer du willst“, sagt er ganz trotzig, doch dabei hat er Tränen in den Augen. „Wer ist die Miriam?“„Woher . . . woher weißt du von der Miriam?“, fragt er zuerst recht irritiert, kapiert aber schnell und schaut dann zur Bürotür rüber.

„Bussi, Bussi – also?“, bohr ich nach.

Ja, jetzt hat er es wohl endgültig verstanden. Das Regal wankt und wankt.

„Ja, Scheiße, Mann! Die Miriam, das ist einfach eine Freundin von der Susi. Mit der ist sie schon in die Schule gegangen“, knurrt er mich an.

„Die Passauer Miriam? Ja, die kenn ich doch auch. Und was ist mit der? Was hat die mit der Susi zu tun?“

„Ja, Mensch, bei der wohnt sie im Moment halt jetzt, die Susi. Das ist alles! Und jetzt hau endlich ab, du Arschloch!“

„Sie wohnt bei der Miriam? Wieso denn das? Und überhaupt, was ist mit diesem Vollidiote­n, mit dem sie bei unserer Hochzeit durchgebra­nnt ist?“

„Gar nichts ist mit dem, du Ignorant. Und mit dem war auch nie was. Der hat sich da wohl irgendwie falsche Hoffnungen gemacht, keine Ahnung. Jedenfalls hat er sie am Ende einfach nur zur Miriam fahren dürfen. Das war alles“, sagt der Wolfi genervt und schnauft ganz tief durch. Da erst merke ich, dass nun das Regal nicht mehr wackelt. Was aber auch schon wieder relativ gut ist, weil mir zugegebene­rmaßen mittlerwei­le der Arm ziemlich wehtut.

„Und wo genau wohnt die Passauer Miriam jetzt?“, will ich schließlic­h noch wissen. Da aber streikt er, der Wolfi. Weil er eh schon viel mehr gesagt hat, als er eigentlich wollte, und ich mich nun endlich verpissen soll. Gut, das kann ich auch irgendwie verstehen. Im Übrigen kommt auch grad eine größere Blase Menschen ins Lokal rein, so dass ich mich jetzt zumindest teilbefrie­digt auf den Heimweg machen kann.

Die Susi! Mein lieber Schwan! Sie ist mir also gar nicht mit diesem miesen Computerar­sch durchgebra­nnt! Da schau einer an.

Keine zehn Minuten später, kaum, dass ich wieder mal auf meiner Schaukel hocke, muss ich sie deshalb freilich sofort anrufen. Der Nachbar ist wieder mal dort auf seinem Balkon und raucht gemütlich seine Zigarette. Und weil es aber noch nicht des Nächtens ist, wink ich nur kurz und ohne den Hauch eines schlechten Gewissens zu ihm rüber.

„Du, Susi, leg nicht auf! Wir müssen unbedingt reden“, sag ich, kaum dass sie abgenommen hat.

„Franz, zur Abwechslun­g heute mal ganz nüchtern? Wie konnte denn das passieren?“, fragt sie, und ich kann ihren schnippisc­hen Unterton durchaus sehr gut raushören.

„Susi, ich habe nur diese blöde Hochzeit verpennt, sonst nichts. Ich bin nicht fremdgegan­gen, hab keinen Mord begangen, keine Bank ausge . . .“

„Aber du sagst es doch gerade: Diese blöde Hochzeit! Franz, bitte! Tu mir bitte, bitte einen Gefallen und lass mich endlich und ein für alle Male in Ruhe.“

„Susi!“, schrei ich jetzt in den Hörer, einfach weil ich Angst habe, dass sie das Gespräch unterbrich­t. Doch dann will mir plötzlich ums Verrecken nichts mehr weiter einfallen. Sie ist noch dran, ich höre ihr Atmen. Und natürlich hat sie recht. Blöde Hochzeit. Wie konnte mir das nur rausrutsch­en, wenn ich es nicht auch wirklich so meine?

„Susi“, versuch ich es noch mal, doch im gleichen Moment wird mir einfach der Hörer aus der Hand gerissen. Es ist der Balkonnach­bar, der jetzt vor mir steht und in die Mu- schel spricht.

„Susi“, sagt er und schaut dabei in den Himmel, als würde er um göttlichen Beistand bitten. „Du, Susi, bitte, sei so gut und komm endlich wieder zurück. Es ist nicht mehr auszuhalte­n mit dem Kerl hier, wirklich! Und ich glaube ganz fest, dass er es ernsthaft bereut. Oder anders gesagt, wenn er nicht bald aufhört mit dieser Dreckstele­foniererei, dann kann ich für nichts mehr garantiere­n, verstanden.“

Danach gibt er mir das Telefon wieder zurück, doch die Leitung ist bereits tot. Ganz toll, wirklich.

Ich bin noch keine zehn Schritte gegangen, da läutet es aber auch schon wieder. Und zugegebene­rmaßen bin ich jetzt ziemlich siegessich­er, wie ich rangeh.

„Ja, Susimaus?“, sag ich und muss grinsen.

„Nix, Susimaus“, hör ich eine Frauenstim­me, die wirklich nicht das Mindeste mit der von der Susi zu tun hat. Es ist ein schroffer Ton und geht auch leicht ins Hysterisch­e rein. Und selbst in ihren allerdüste­rsten Momenten hätte die Susi nie nicht diesen fiesen harten Klang in der Stimme. Im Grunde fällt mir auch nur ein einziger Mensch ein, zu dem diese Stimme passt. Jedenfalls wenn sie ärgerlich ist, was durchaus schon mal vorkommt.

„Gisela?“, frag ich deswegen erst einmal nach.

„Ganz exakt, Eberhofer. Und wo immer du auch grad bist, beweg sofort deinen Arsch hierher. Weil sie bei uns nämlich grad in die Schaufenst­erscheibe reingescho­ssen haben.“„Geschossen?“„Geschossen!“„Nicht dein Ernst, oder?“

(Fortsetzun­g folgt)

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