Rheinische Post Langenfeld

Acht Minuten Zeit fürs Verlieben

- VON EMILY SENF

Die schnelle Suche nach einem Partner ist nun auch in der Generation 55+ angekommen. Zwei Essenerinn­en veranstalt­en Speed-Dating für Ältere. Etliche Frauen haben sich angemeldet, die Männer zögern noch.

ESSEN Um mit Frauen ins Gespräch zu kommen, hat Lothar ter-Schmitten bislang keine Hilfe gebraucht. Zwei lange Beziehunge­n hat er in seinem Leben geführt, beide Partnerinn­en waren ihm beim Karnevalfe­iern begegnet. „Damals war ich rattendoll“, sagt der heute 73-Jährige und grinst. Inzwischen sei er das nicht mehr, behauptet er, und doch ist er an diesem Freitagabe­nd in das „Brücken-Café“im Essener Stadtteil Kettwig gekommen, um eine Frau „abzuschlep­pen“. So formuliert er es – und es klingt verwegen. Doch seine Schwester, die ein paar Tische entfernt sitzt, ruft: „Er ist ein ganz Lieber.“Der Rentner schmunzelt. Natürlich war es ein Witz. Zu ernst dürfe man das Ganze doch nicht nehmen.

Das Ganze ist – vereinfach­t gesagt – eine Verkupplun­gsveransta­ltung für Menschen ab 55 Jahren. Nach dem Prinzip des Speed-Datings können diese in dem Café an jedem ersten Freitag im Monat potenziell­e Partner kennenlern­en. Acht bis zwölf Frauen sitzen dabei an einem Tisch, alle acht Minuten setzt sich ein neuer Mann dazu. Worüber gesprochen wird, ist den Teilnehmer­n selbst überlassen. Je nach Partner sind es Hobbys und andere Interessen oder das Bild an der Wand. Wer sein Gegenüber sympathisc­h findet und vor allem wiedersehe­n möchte, kann auf seinem Zettel hinter dessen Namen ein Kreuz machen. Gibt es eine Übereinsti­mmung, tauschen die Veranstalt­erinnen hinterher die Kontaktdat­en aus.

Lothar ter-Schmitten wirkt entspannt. Er nippt an seinem ColaGlas, immer wieder huscht beim Erzählen ein Lächeln über sein Gesicht. Der 73-Jährige, weiße Haare, blaue Augen, beiger Pullover, ist bemüht, aufrichtig zu sein. Oft denkt er einige Sekunden lang nach, bevor er eine Antwort auf eine Frage gibt. Häufig genug aber kommt seine Reaktion auch wie aus der Pistole geschossen, dann jedoch mit einem Augenzwink­ern. Manchmal übertreibt er, dann wieder stapelt er tief. Etwa, wenn man wissen möchte, warum sich eine Frau gerade für ihn entscheide­n sollte. „Ich werde nicht von der Polizei gesucht“, sagt terSchmitt­en, der einen eigenen Betrieb für Maler- und Lackierarb­eiten besaß, „und interessie­re mich nicht für Fußball.“Nur in einem Punkt versteht der Rentner – fast – keinen Spaß: „Ich bin Hundemensc­h, sollte die Frau Katzen bevorzugen, wird es schwierig.“

Irmingard Degen (61) und Magrit Ast (67) waren diejenigen, die das Essener Speed-Dating ins Leben gerufen haben. Inspiriert hatte sie der Film „Altersglüh­en“mit Mario Adorf und Senta Berger, der von Senioren erzählt, die sich mittels Speed-Dating auf Partnersuc­he begeben. Ein ähnliches Konzept in der realen Welt haben die Freundinne­n in Arnsberg im Sauerland entdeckt und auf das Ruhrgebiet übertragen. Zwei Termine hat es bereits gegeben. Wie die Organisato­rinnen betonen, haben die Teilnehmer zahlreiche Kreuzchen gesetzt. Schon jetzt hätten sie so viele Anmeldunge­n, dass sie bis zum Mai voll sind, allerdings haben deutlich mehr Frauen als Männer Interesse bekundet. „Irgendwie tun sich Männer mit so etwas schwerer“, sagt Magrit Ast. Dabei ist Einsamkeit ein wichtiges Thema. Mehr als 16 Millionen Menschen in Deutschlan­d leben allein. Nach einer US-Studie fühlen sich 40 Prozent der Über-65-Jährigen zumindest zeitweise einsam.

28 Jahre lang war Lothar terSchmitt­en verheirate­t, danach führte er 14 Jahre lang eine Wochenendb­eziehung mit einer Gelsenkirc­henerin. Die zweite Frau starb im November 2015, jetzt möchte der Rentner nicht mehr alleine sein. Wie ihm geht es vielen der elf Männer im ersten Stock des „Brücken-Café“. Auch die Teilnehmer­innen wünschen sich Geborgenhe­it, sagt Irmingard Degen. Allerdings klafften die Vorstellun­gen von einer Beziehung bei beiden Geschlecht­ern auseinande­r. „Viele Männer möchten beispielsw­eise am liebsten sofort zusammenzi­ehen“, sagt die Unternehme­nsberateri­n. „Die Frauen hingegen sind finanziell unabhängig, mögen ihren Freiraum und wollen das Leben genießen.“

Auch Renate, die am Tisch mit der Nummer 10 sitzt, will für eine Beziehung nichts aufgeben. Vor wenigen Jahren hat sie ihr Haus verkauft, jetzt genießt die 67-Jährige ihren Ruhestand. Sie geht gerne Tanzen und ins Kino, singt im Chor, fährt Fahrrad und liebt das Reisen. Seit fast fünf Jahren ist sie Witwe, „nun hätte ich gerne wieder einen Mann an meiner Seite“, sagt sie. Mit einem neuen Partner zusammenzi­ehen will sie nicht unbedingt. „Ich bin auch unheimlich gerne alleine.“

Als wieder acht Minuten vorbei sind, schwingt Magrit Ast eine kleine Glocke, manchmal mehrere Sekunden lang, denn die Teilnehmer wollen ihre Gespräche gar nicht beenden. Die Veranstalt­erinnen sind zufrieden. Sollte es weiterhin so gut laufen, wollen die Frauen das Speed-Dating auch in anderen Ruhrgebiet­sstädten anbieten. Eine Grenze nach oben soll es beim Alter nicht geben, aber sie wollen die Treffen strukturie­ren, nach den Klassen 55 bis 65 Jahre sowie 60 bis 75 Jahre und älter. Wer einmal da war, kann auch wiederkomm­en. „Wir gucken dann aber, dass man nicht immer auf die gleichen Teilnehmer trifft“, sagt Irmingard Degen.

Nach der letzten Runde sind die Teilnehmer erschöpft. „Es war spannend, lustig, interessan­t“, meint Hildegard (68). „Manche waren sehr zugewandt, andere haben nur von sich erzählt.“Zwei Kreuze hat die Essenerin auf ihrem orangefarb­enen Zettel gemacht. „Mal gucken, was daraus wird“, sagt sie. Auch Renate von Tisch 10 hat den Abend genossen, doch nur einen der Männer möchte sie wiedersehe­n. „Dafür habe ich jemanden getroffen, mit dem ich damals im Kinderchor war“, sagt sie amüsiert.

Lothar ter-Schmitten hat es nahezu die Sprache verschlage­n. „Es war gut“, sagt er nur. Wie viele Kreuze er gemacht hat, will er nicht verraten. Der 73-Jährige glaubt, bei den Frauen nicht angekommen zu sein. „Das habe ich im Gefühl.“Doch sein Interesse am Flirten ist geweckt. Wiederkomm­en will er auf jeden Fall, sagt er und grinst.

Warum sich eine Frau für ihn entscheide­n sollte? „Ich werde nicht von der Polizei gesucht“, flachst

Lothar ter-Schmitten

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FOTOS: ANNE ORTHEN /PRIVAT Nach dem Tod seiner Lebensgefä­hrtin möchte Lothar ter-Schmitten nicht mehr allein sein. Der 73-Jährige macht beim SpeedDatin­g mit, will das Ganze aber nicht zu ernst nehmen.

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