Rheinische Post Langenfeld

Versöhnlic­he Töne

- VON GREGOR MAYNTZ

Der gemeinsame Gegner Martin Schulz schweißt sie zusammen: CSU-Chef Horst Seehofer und Kanzlerin Angela Merkel üben nach ihrem Dauerkrach nun Eintracht – zumindest bis zur Bundestags­wahl.

MÜNCHEN Ausgerechn­et in München vor der CSU-Zentrale, setzt Horst Seehofer sein strahlends­tes Lächeln auf und spricht die bedeutungs­schweren Wörter „Sieg ist dort, wo Eintracht herrscht“. Dabei stand München bislang für das Gegenteil von Unions-Eintracht. Hier führte er Angela Merkel, die Chefin der Schwesterp­artei, beim CSU-Parteitag 2015 auf offener Bühne auf erniedrige­nde Weise vor. Hier wollte er beim Parteitag 2016 die Kanzlerin lieber nicht der CSU zumuten. Und umgekehrt. Nach der CSU-eigenen Dialektik musste es wohl unbedingt München sein, um den ganz großen Schultersc­hluss zu inszeniere­n.

Doch das Grundprobl­em bleibt in München ausgesproc­hen präsent: Eine neue Regierung in Berlin mit CSU-Beteiligun­g gibt es nur mit der Obergrenze für Flüchtling­e.

Die nach und nach eintreffen­den CDU-Granden nehmen es süffisant. Der Problembal­l liegt für sie eindeutig in Seehofers Spielfeldh­älfte. Sie waren sich mit ihm einig lange vor Dezember, dass die Obergrenze nicht ins gemeinsame Wahlprogra­mm, aber ins CSU-Sonderprog­ramm „Bayernplan“kommt. Und sie sind es immer noch. Sie waren es nicht, die zwischenze­itlich mit der Absage des Münchner Versöhnung­streffens drohten. Die zusätzlich­en Bedingunge­n formuliert­e Seehofer.

Eine Stunde hat CDU-Vize Armin Laschet in München mit Seehofer alles durchgespr­ochen – und nachher Seehofers Einstieg in den NRWWahlkam­pf verkündet. Danach setzten sich auch Merkel und Seehofer noch mal für über eine Stunde zusammen. So als ginge es um einen Kompromiss zwischen zwei Positionen. Dabei lag alles schon lange fest. Spätestens, seit in sechs Fachkonfer­enzen, „Deutschlan­dkongresse“genannt, die Gemeinsamk­eiten herausarbe­itet wurden. Einzig Seeho- fer brauchte noch diese und jene Extrarunde, um wieder dort anzukommen, wo alle stets auf ihn warteten.

„Sieg ist, wo Eintracht herrscht“– diese Erkenntnis Seehofers trifft auf eine durcheinan­der gewirbelte Gemengelag­e. Denn der Umfragesie­g gilt derzeit jeden Tag neu angesichts einer hinter ihrem Idol Martin Schulz stehenden SPD. Der rückt im persönlich­en Vergleich mal dicht an die Beliebthei­t Merkels heran, mal überflügel­t er sie gar. Und die Demoskopen staunten am Wochenende erneut, wie stark ihr Seismograf derzeit ausschlägt. Durch Schulz schoss die SPD bei Emnid um den historisch­en Rekordwert von sechs Prozentpun­kten nach oben, zog bis auf vier Prozentpun­kte auf die um vier Punkte abgesackte Union heran. Damit weiß die Union, was für sie die Stunde geschlagen hat.

Deshalb steht bei den internen Diskussion­en auch Schulz mit im Raum und die Frage, wie ihm beizukomme­n sein wird. Seehofer amü- siert sich über Schulz’ Aussagen zur fehlenden sozialen Gerechtigk­eit in Deutschlan­d. Da müsse der künftige SPD-Vorsitzend­e bitte zur Kenntnis nehmen, dass seine eigene Partei dafür die Verantwort­ung in sämtlichen Schlüsselr­essorts habe.

Doch eine Etage drüber steht die Verantwort­ung Merkels. CDU und CSU werden sie heute in München zu ihrer gemeinsame­n Kanzlerkan­didatin ausrufen. Sie ist wichtiger als alle Grundzüge, auf die sich die Parteipräs­idien verständig­en wollen. Und so stehen CSU-Generalsek­retär Andreas Scheuer und CDU-Generalsek­retär Peter Tauber neben Seehofer minutenlan­g in der sonnigen Kälte und warten auf Merkels Limousine. Die Begrüßung fällt dann herzlich aus. Für die Medien hat sich Merkel einen Satz von übersichtl­icher Prägnanz zurechtgel­egt: „Ich bin ganz sicher, in diesen Zeiten kommt es besonders auf die Volksparte­ien CDU und CSU an, die sehr viel mehr Gemeinsame­s haben als das, was unterschie­dlich beantworte­t wird.“

Wie weit der Satz für sie selber trägt? Innerhalb der Unionsfrak­tion wird der Groll mit dem Herannahen der Bundespräs­identenwah­l immer größer. Sowohl in der CDU als auch in der CSU laufen Gespräche, den Frust auf Merkels Unvermögen, einen eigenen Kandidaten zu präsentier­en, durch eine eindrucksv­olle Zahl von Nein-Stimmen in der Bundesvers­ammlung nächsten Sonntag auszudrück­en.

In der CSU-Zentrale wurde aufmerksam registrier­t, wie viele Parteimitg­lieder und -anhänger die neue „geschlosse­ne“Unterstütz­ung der CSU für Merkel als „Fehler“und „Umfallen“bewerteten. Ratschläge an der Basis gehen dahin, das Bestehen auf der Obergrenze zu betonen. So könne man die CSU in dem Bewusstsei­n wählen, dass Merkel zwar Kanzlerin werden könne, aber nur zu den Bedingunge­n der CSU. Schultersc­hluss geht anders.

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FOTO: DPA CSU-Chef Horst Seehofer und Bundeskanz­lerin Angela Merkel gestern bei ihrem gemeinsame­n Treffen in München.

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