Chorleiter erhält den Integrationspreis
MONHEIM Das Gemurmel auf dem Gang vor dem Ratssaal wird lauter. Plötzlich stoppt es. Der Chor beginnt zu singen. Ein Protestlied. Denn seit einer Stunde schon stehen sich 50 Erwachsene und 15 Kinder im Rathaus die Beine in den Bauch, während drinnen der Integrationsrat tagt. Bürgermeister Daniel Zimmermann versteht den Wink. Er öffnet beide Flügel der Eingangstür. Rabih Lahoud bekommt den Integrationspreis, den die Stadt Monheim zum neunten Mal vergibt. Der Musiker mit libanesischen Wurzeln leitet den Pop-Chor Baumberg.
Sie singen laut und arabisch und deutsch. Im Spätsommer vergange- nehmer-Bewegung (KAB) Langenfeld/Monheim. Ein entspre-
chender Antrag ist unterschrieben und den Bürgermeistern von Monheim und Langenfeld sowie den Fraktionsvorsitzenden in beiden Städten zugestellt worden, sagt Kerstin Hoffmann, Vorsitzende der KAB Langenfeld/Monheim. „Im Hinblick auf den Geburtstag von Nikolaus Groß, der sich am 30. September 2018 zum 120. Male jährt, möchten wir (...) auf drei besonders herausragende Märtyrer der katholischen Sozialbewegung hinweisen. Prälat Dr. Otto Müller, Bernhard Letterhaus und Nikolaus Groß“, heißt es in dem Brief.
Die KAB hat sich einen prominenten Fürsprecher zur Seite geholt. Der Sozialwissenschaftler Monsignore Peter Schallenberg, Lehrstuhlinhaber an der Theologischen Fakultät in Paderborn, würdigte die Verdienste von Nikolaus Groß jüngst in einem Vortrag in Langenfeld und warb für die sichtbare Erinnerung an die drei Widerstandskämpfer des Dritten Reichs. Alle drei wurden noch vor Ende des
Krieges von Nationalsozialisten in
BerlinPlötzensee hingerichtet.
„Ich habe den Brief bekommen“, sagt Werner Goller, Chef der Monheimer SPD. Nikolaus Groß sei ihm ein Begriff. „Ich stehe dem Vorhaben positiv gegenüber, werde es aber zuerst in der eigenen Fraktion besprechen und dann gegebenenfalls das Gespräch mit der CDU suchen“, so Goller. Dann müsse man gemeinsam mit den anderen Fraktionen überlegen, ob bei nächster Gelegenheit über eine solche Benennung entschieden werden kann. Schließlich gebe es etwa in Baumberg bereits viele Namen aus dem Widerstand gegen die Nationalsozialisten, wie etwa die GeschwisterScholl-Straße.
In Monheim, das bereits ein Österreichviertel hat, soll bald auch ein Israel-Viertel entstehen. Das Neubaugebiet in Baumberg-Ost soll die schon lange bestehende Partnerschaft zu Tirat Carmel in Israel würdigen. Weitere Straßen werden nach bedeutenden Persönlichkeiten wie Menachem Begin oder Yith- nen Jahres keimte die Idee vom Chor in der Baumberger Friedenkirche auf. Geborene und neue Monheimer sollten zusammen singen. „Wir wollten ein eigenes Integrationsprojekt ins Leben rufen“, sagt Pfarrer Peter Becker. Rabih Lahoud sieht die Sangesgemeinschaft aus dem Blickwinkel eines Musikers: „Es gibt viele musikalische Gemeinsamkeiten. Man kann vieles aus der arabischen Musik in die hier bekannten Tonleitern übersetzen.“Im beruflichen Leben führt er an der Robert-Schumann-Hochschule Opernsänger in die Welt des Pop ein. Bevor es die große gerahmte Urkunde gibt und den Scheck über 1000 Euro, entschuldigt sich Bürgermeister Zimmermann noch ein- zak Rabin benannt. Zwei jüdische Frauen hat der Stadtrat als zuständige Instanz für die Namensgebung von Straßen ausgewählt, die die Gründung des Staates Israel nicht mehr miterlebt hatten. Hannah Szenes (1921-1944) war eine ungarische Widerstandskämpferin, die mit anderen jüdischen Frauen und Männern mit Fallschirmen hinter der deutschen Front absprang und versuchte, Juden zu retten. Henrietta Szold (1860-1945) war eine bedeutende Aktivistin des früheren Zionismus. Monheims Bürgermeister Daniel Zimmermann: „Wir wollten paritätisch zwei Frauen und zwei Männer würdigen, teils kamen die Vorschläge aus Tirat Carmel.“
Ob die Widerstandskämpfer bis 2018 ein Straßenschild bekommen werden, ist eine Frage des politischen Konsens. „Auch Umbenennungen sind denkbar“, sagt Stephan Anhalt.
Die evangelische Gemeinde in Monheim hat das Projekt initiiert. Geprobt wird in der Friedenskirche.
mal dafür, „dass die Zeiten durcheinandergeraten sind“. Er ist in diesem Fall ganz froh, nicht zur Jury zu gehören, die über den Preis entscheidet: „Ansonsten könnte man mir Befangenheit vorwerfen.“Die Verbindung von Rabih Lahoud zu seiner Frau war einst für den jungen Bürgermeister die erste Trauung nach bestandener Standesamtsprüfung. Seither ist Zimmermann mit dem Paar befreundet.
Dann erklingen drei Lieder im Ratssaal. Die Chorarbeit hat so manches Trauma gelöst. Gleichzeitig leben viele neue Monheimer in der Ungewissheit über ihre Zukunft. Im Pop-Chor lassen sie sich darüber hinwegtragen. Nächste Probe: 17. Februar in der Friedenskirche.