Luther für den Papst
Eine Delegation des Rates der Evangelischen Kirche reiste nach Rom und lud Papst Franziskus nach Deutschland ein.
ROM Erstmals seit der Reformation haben Deutschlands Protestanten offiziell den Papst nach Deutschland eingeladen. Bei einer Privataudienz haben eine Delegation des Rats der Evangelischen Kirche in Deutschland unter Leitung des Ratsvorsitzenden, Bayerns Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, sowie der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Kardinal Marx, die Bitte an Franziskus herangetragen. Zuvor hatten sich bereits Bundespräsident Joachim Gauck, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Minis- terpräsidenten Stanislaw Tillich, Rainer Haseloff (beide CDU) und Bodo Ramelow (Linke) um einen Papstbesuch im Jahr des Reformationsjubiläums bemüht.
Bisher waren diese Versuche allerdings nicht von Erfolg gekrönt. Ähnlich erging es gestern den Kirchenvertretern: „Der Papst hat uns wohlwollend angeschaut“, sagte Kardinal Marx, dessen Begleitung der EKD-Delegation von BedfordStrohm als „Ausdruck einer tiefen ökumenischen Verbundenheit“gewürdigt wurde. „Aber meines Wissens nach hat ihn die evangelische Kirche zum ersten Mal offiziell nach Deutschland eingeladen.“
Immerhin betonten alle Gesprächsteilnehmer die besondere Herzlichkeit der Begegnung in Rom. „In den Gemeinden und Pfarreien erleben wir herzliche ökumenische Begegnungen schon seit Jahrzehnten“, sagte etwa die westfälische Präses Annette Kurschus, die selbst bereits vor zwei Wochen im Rahmen des Europäischen Stationenwegs den Papst getroffen hatte. „Die Leidenschaft, die Ehrlichkeit, die herzliche Wärme ist jetzt tatsächlich auch auf der offiziellen Ebene der Kirche angekommen“, befand Kurschus.
Doch es ging nicht nur um Herzlichkeit: Deutlich angesprochen wurden bei der etwa einstündigen Privataudienz auch die ökumenischen Streitpunkte zwischen den Kirchen – insbesondere die Frage des gemeinsamen Abendmahls. „In Familien ist das mitunter schmerzhafte Realität: Wer Kinder, Enkel und Freunde teilt, wird am Tisch des Herrn geteilt“, bedauerte BedfordStrohm während der Audienz. „Deswegen freuen wir uns sehr, wenn wir miteinander den Weg zu noch größerer eucharistischer Gemeinschaft suchen.“
Dazu hatten sich die Kirchen freilich bereits im vergangenen Jahr verpflichtet. Als sich der Papst und die Spitzen des Lutherischen Weltbundes zum Auftakt des Reformationsjubiläums im schwedischen Lund trafen, unterzeichneten sie eine gemeinsame Erklärung, in der sich beide großen Kirchen verpflichteten, an den strittigen Fragen der Eucharistie und der Ämterfrage gemeinsam weiterzuarbeiten. Das Gespräch der EKD-Spitzen mit dem Papst – bei dem als Gastgeschenk selbstverständlich die neu übersetzte Lutherbibel überreicht wurde – ging über diesen Stand nun nicht hinaus, auch wenn Bedford-Strohm vor Journalisten betonte, dass die Sehnsucht danach, dass konfessionsverschiedene Paare gemeinsam zum Abendmahl gehen können, „auf allen Seiten zum Ausdruck gebracht worden“sei. Denn auch Franziskus betonte in seiner Ansprache für die EKD-Spitzen, dass der Schmerz der Trennung der Kirchen besonders von Eheleuten getragen werde, die verschiedenen Konfessionen angehören.
Deutlich konkreter wurde es offenbar nach der Audienz, in einem Arbeitsgespräch mit dem vatikanischen Ökumenebeauftragten Kardinal Kurt Koch. Auch hier knüpfte die EKD-Delegation offenbar an das Treffen von Franziskus mit dem lutherischen Weltbund in Lund und Malmö an – denn Koch hatte schon in Malmö angedeutet, dass es Möglichkeiten geben könnte, das Thema der eucharistischen Gastfreundschaft bei konfessionsverschiedenen Paaren auf nationaler Ebene anzugehen. Ähnlich äußerte er sich wohl auch gestern. „Der Wille weiterzukommen, möglicherweise über regionale Prozesse, war authentisch da“, sagte BedfordStrohm. Natürlich auch bei Kardinal Marx, der durchblicken ließ, dass er in eine ähnliche Richtung denkt, wie Kardinal Kurt Koch. „Beim Thema konfessionsverschiedener Ehen werden wir nachdenken müssen“, sagte Marx zum Gesprächsstand in der Deutschen Bischofskonferenz. „Da werden wir in Gemeinschaft mit dem päpstlichen Einheitsrat überlegen müssen, wie wir weitergehen.“Er sehe da durchaus Möglichkeiten.
Schnell freilich werden solche Regelungen auch auf nationaler Ebene nicht zustande kommen. Doch Bedford-Strohm zog trotzdem ein positives Fazit seiner Rom-Visite: „Ich gehe mit viel Hoffnung in die Zukunft, auch in diesem Jahr. Denn ich spüre auf allen Seiten ganz viel Wille zur Einheit.“
Alle Teilnehmer
betonten die besondere Herzlichkeit
dieses Treffens