ANALYSE Von
80 Jahren wurde die Enzyklika „Mit brennender Sorge“von Pius XI. in allen deutschen Kirchen verlesen – ein Fanal gegen die Ideologie des Nationalsozialismus. Der Protest blieb aber nur ein kirchenpolitisches Strohfeuer.
Haltung gegenüber den Nazis. Von einem Protest nur aus den Reihen der Bischöfe verspricht man sich darum nicht allzu viel. Ein öffentliches Fanal – will es Wirkung zeigen – muss schon aus Rom kommen und aus der Feder des Papstes stammen. Das versteht von Galen unter einem Wechsel kirchlicher „Kampftaktik“. Auch aus diesem Grund darf er, der „Löwe von Münster,“als der vielleicht wichtigster Initiator der Enzyklika gelten.
Doch die Schrift ist ein Akt kirchlicher Selbstbehauptung geblieben. Nur wenig ändert sich mit ihr in der Haltung, wie Kirche im 20. Jahrhundert politisch agiert. „Mit brennender Sorge“ist ein gewichtiges Zeichen gegen die schreiende Ungerechtigkeit – für ein paar Tage. Reichspropaganda-Chef Joseph Goebbels wird noch in der Karwoche von einer „Vatikan-Frechheit“sprechen und die weitere Verbreitung der Enzyklika verbieten lassen. „Mit brennender Sorge“ist ein Aufschrei, der bald verhallt. Die Enzyklika bleibt ein einmaliges Strohfeuer.
Hinzu kommt der Tod von Pius XI. 1939 und die Rückkehr zur öffentlichen Zurückhaltung, die Pius XII. wieder pflegen wird. Von Galen aber kämpft weiter mit Predigten zu den Euthanasiemorden der Nazis. Der Heilige Vater registriert das aus Rom und findet für das Engagement des deutschen Bischofs durchaus löbliche Worte. Ein „mannhaftes Auftreten“wird dem Münsteraner attestiert. Ihm selbst aber seien die Hände gebunden: „Wo der Papst laut rufen möchte, ist ihm leider manchmal abwartendes Schweigen, wo er handeln und helfen möchte, geduldiges Harren geboten“, schreibt Pius XII. 1941 an den Würzburger Bischof Matthias Ehrenfried.
Die Kirche ist gut 70 Jahre später eine andere. Aber noch immer ringt sie mit sich, wie viel politische Einmischung nötig und wie viel möglich ist. Auch die Befreiungstheologie in Lateinamerika ist nur ein Kapitel geblieben. Eine ihrer Lehren aber heißt: Kirche steht nie an der Seite der Mächtigen. Und das ist eine sehr alte christliche Botschaft; sie findet sich im Evangelium.