Rheinische Post Langenfeld

300.000 neue Jobs in NRW möglich

- VON REINHARD KOWALEWSKY

Nordrhein-Westfalen bleibt wirtschaft­lich unter seinen Möglichkei­ten. Eine neue Studie zeigt: Mit besserer Politik könnten neue Chancen entstehen. Die Landesregi­erung sieht sich dennoch bestätigt.

DÜSSELDORF Die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen fällt seit Jahren gegenüber dem Bundesdurc­hschnitt zurück. Der Staat investiert zu wenig, die Unternehme­n forschen viel weniger als etwa in Bayern, junge Talente verlassen zu Tausenden das Land, die Infrastruk­tur ist ein Sanierungs­fall. Dieses alarmieren­de Bild zeichnet eine bisher unveröffen­tlichte Studie der Unternehme­nsberatung Boston Consulting, die unserer Redaktion vorliegt.

Das Expertente­am hat auch eine Strategie entwickelt, mit der die Wirtschaft­sleistung des Landes um 38 Milliarden Euro gesteigert werden könnte – also um sechs Prozent. „Damit sind in NRW mittelfris­tig mehr als 300.000 zusätzlich­e Jobs möglich“, sagte Heinrich Rentmeiste­r, Leiter des Bereichs öffentlich­er Sektor bei Boston Consulting: „Mit einer intelligen­ten Wachstumss­trategie hätte NRW eine gute Chance, wieder ganz vorne zu sein.“

Mit fünf Maßnahmen soll das Land nach der Vorstellun­g der Berater die Wende schaffen, wobei sie aber Details zur Finanzieru­ng schuldig bleiben. Die Landesregi­e- rung, egal von welcher Partei sie nach der Wahl am 14. Mai gestellt werde, solle viel weniger für Personal ausgeben und die Verwaltung stärker digitalisi­eren. Das verhindere auf Dauer weitere Schulden und schaffe Raum für Investitio­nen.

Die Straßen des Landes müssten endlich saniert werden – das könne zwei Milliarden Euro bringen, weil dann Firmen und Bürger weniger Zeit durch Staus verlören. Ein Ausbau der Glasfasern­etze für jeden zweiten Anschluss im Land könnte zehn Milliarden Euro neuer Wirtschaft­skraft bringen. Zudem müsse NRW Frauen und Flüchtling­e besser in den Arbeitsmar­kt integriere­n und die weitere Abwanderun­g von Hochschula­bsolventen speziell nach Bayern und Baden-Württember­g verhindern – dies könne einer Wertschöpf­ung von zehn Milliarden Euro entspreche­n.

Als Ergebnis einer wirtschaft­sfreundlic­heren Politik sollten schließlic­h die Anreize für Unternehme­n wachsen, mehr für Forschung und Entwicklun­g auszugeben. „In NRW investiere­n die Unternehme­n nur zwei Prozent ihres Umsatzes in neue Produkte, in Baden-Württember­g fast fünf Prozent“, sagte Rent- meister: „Das sollte Maßstab sein.“Als Ergebnis könnte die Wirtschaft­skraft des Landes in einigen Jahren um 16 Milliarden Euro wachsen.

Für den Weg dahin schlägt Boston Consulting vor, die im Schnitt sehr hohe Gewerbeste­uer zu senken, Bürokratie abzubauen sowie eine engere Kooperatio­n zwischen Hochschule­n und Firmen voranzutre­iben. „NRW verfügt mit rund 70 Hoch- schulen über eine sehr dichte Wissenscha­ftslandsch­aft mit Hunderttau­senden angehenden Akademiker­n“, so Rentmeiste­r: „Wir sollten Hochschule­n mehr Freiheit geben, mit der Wirtschaft zu kooperiere­n.“

So sollen mehr Start-ups entstehen. „Viele Konzerne wollen mit jungen Firmen kooperiere­n“, sagte Rentmeiste­r, „um von Ideen rund um Digitalisi­erung und Technik zu profitiere­n.“Vorbild sei die Aachener Firma Streetscoo­ter, die mit Geld der Post Elektroaut­os baut.

Arndt Kirchhoff, Präsident der Unternehme­rverbände NRW, begrüßte die Vorschläge: „Die Politik braucht Anstöße, wie wir NRW wieder nach vorn bringen. Dazu gehören Initiative­n für Bildung, Innovation, Infrastruk­tur und Breitband.“Wirtschaft­sminister Garrelt Duin (SPD) sagte, das Land teile viele Ziele der Studie: „Die Landesregi­erung setzt bei Glasfaser auf schnellen flächendec­kenden Ausbau und gibt beim Straßenbau bereits mächtig Gas.“Zudem strebe NordrheinW­estfalen über Digitalzen­tren „engere Kooperatio­nen von Gründern und Traditions­wirtschaft an“. Leitartike­l Wirtschaft

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