Schwieriger Partner Israel
BERLIN Es gab auch schon schwierigere Zeiten im deutsch-israelischen Verhältnis als die Gesprächsabsage von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu an Außenminister Sigmar Gabriel. Gleich bei der Ankunft des ersten deutschen Botschafters in Israel flogen 1965 Steine auf das Auto des Diplomaten. Seitdem haben die Beziehungen einen langen Weg zurückgelegt, tiefes gegenseitiges Vertrauen entfaltet – in letzter Zeit aber eine deutliche Abkühlung erfahren. Kommen beide Seiten wieder zur alten Freundschaft zurück? Und wenn ja, auf welchem Weg?
Der jüngste Eklat fügt sich ein in wachsende Verstimmung über die Siedlungspolitik. Damit folgt die deutsche Regierungspolitik auf einem eng begrenzten Sektor einem seit vielen Jahren laufenden gesellschaftlichen Stimmungsumschwung. Zunächst war die deutsche Sympathie eindeutig auf israelischer Seite. Ob das kleine Israel mit seinen zunächst 800.000 Einwohnern gleich nach der Gründung 1948 von seinen arabischen Nachbarn überfallen wurde oder ob der erstarkte Staat 1967 und 1973 sich in weiteren Kriegen behaupten musste – die deutsche Solidarität war umfassend und kam von Herzen.
Doch der heutige Acht-MillionenStaat Israel beklagt sich immer häufiger über eine seiner Meinung nach ungerechte Wahrnehmung der deutschen Öffentlichkeit. Keine Notiz nähmen die Deutschen, wenn aus den Palästinensergebieten über Wochen und Monate Raketen auf israelische Häuser und Schulen abgefeuert würden, doch wenn Israel dann zurückschlage, gebe es in Deutschland eine ausufernde Empörungswelle. Zudem übersehe die deutsche Nahostdebatte allzu oft, dass Israel die einzige funktionierende Demokratie in der Region habe, in der auch von Soldaten begangene Menschenrechtsverletzungen rechtsstaatlich geahndet würden.
Netanjahus Gesprächsabsage hat zwei zeitliche Vorläufer. Der eine reicht vier Jahre zurück. Danach wird in der israelischen Regierung zwar anerkannt, dass sich Gabriel als SPD-Chef stets auf der Linie der besonderen deutschen Verpflichtungen für die Existenz Israels bewegte, die Bundeskanzlerin Angela Merkel wiederholt als deutsche Staatsräson definierte. Doch unter dem Eindruck eines Besuches in Hebron sprach Gabriel 2012 von der israelischen Politik im Westjordanland als „ApartheidRegime“, für die es „keinerlei Rechtfertigung“gebe. Das ist nicht vergessen. Schon 1999 hatte es Israel den EUStaaten übel genommen, als sie an einer UN-Resolution gegen die Siedlungspolitik mitwirkten. In der Folge hatte Israels Außenminister Ariel Scharon plötzlich keine Zeit mehr für seinen deutschen Gast Joschka Fischer. Doch die Begründung ließ diplomatischen Spielraum, bezog sich auf eine Beinverletzung, die Scharons Amtsgeschäfte angeblich unmöglich machten. Am vergangenen Sonntag stellte Netanjahu indes eine direkte Verbindung her zwischen Gabriels Absicht, umstrittene Nichtregierungsorganisationen zu treffen, und seinem Empfang durch den Regierungschef. Seine Botschaft: die oder ich. Insofern war die Absage von beispielloser Deutlichkeit.
Fischers seinerzeitige Staatsministerin Kerstin Müller, jetzt Israel-Statthalterin der Grünen-nahen Heinrich-BöllStiftung, zweifelt am Fingerspitzengefühl Gabriels, unbedingt mit Vertretern der Organisation „Breaking the Silence“(„Das Schweigen brechen“) sprechen zu wollen. Diese klage von Israel verantwortete Menschenrechtsverletzungen in den Palästinensergebieten an, ohne Quellen und Belege anzugeben. Die Mehrheit der israelischen Gesellschaft sei deshalb in dieser Frage eher bei Netanjahu als bei Gabriel. Müller stuft die Entscheidung Gabriels deshalb als „klare Konfliktansage an die israelische Regierung“ein.
„Die Sicherheit Israels ist Teil der Staatsräson
meines Landes“
Angela Merkel
in einer Rede vor der Knesset
am 18. März 2008