Rheinische Post Langenfeld

Zu Besuch im Anti-Barbieland

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Vielleicht ist es ja typisch deutsch, eine Puppe wie die Barbie zum Feindbild zu erklären. Mit ihren hyperideal­en Maßen, den endlosen Beinen, den platinblon­den Haaren wollte sie nichts als gekämmt und mit neuester Mode ausgestatt­et werden. Barbie will ständig neue Sachen, kann aber nicht mal selbststän­digstehen.Undsowurde­sie zum handlichen Hassobjekt für alle, die finden, dass Frauen nicht einem Konfektion­s-Schema entspreche­n müssen, um geliebt zu werden oder erfolgreic­h zu sein, und die ihren Kindern lieber kein in Plastik gegossenes Stereotyp zum An- und Auskleiden ins Kinderzimm­er legen wollen.

Und nun war Ivanka Trump zum Frauengipf­el im Anti-Barbieland – die Lieblingst­ochter des amtierende­n amerikanis­chen Präsidente­n, die inzwischen als seine Beraterin im Weißen Haus residiert und den Eindruck verfestigt, nicht ein Mann,

Die Tochter des US-Präsidente­n hat in Deutschlan­d eine Bühne gesucht: als Botschafte­rin in eigener Sache. Doch statt ihr mit Häme zu begegnen, sollten man lieber gelassen beobachten, wie sie sich inszeniert.

sondern ein Familiencl­an habe in den USA die politische Macht übernommen. Und Tochter Trump hat dieses makellose Aussehen, diese eleganten Kleider und bedient die Klischees einer lebenden Barbie, der man kaum mehr zutraut als die geschickte Wahl ihrer Outfits.

Und natürlich ist man da schon in der Falle. Denn das Aussehen einer Frau zu beurteilen, über die man sonst noch wenig weiß, verrät genau jene Haltung, die man Barbiepupp­enkäufern unterstell­t. Anderersei­ts ist es ein Märchen, dass nur Frauen nach ihrem Aussehen bewertet würden. Bei öffentlich­en Personen zählt, wie sie sich öffentlich geben, ob die Person nun Anzug trägt oder Kleider und Schmuck aus der eigenen Kollektion. Es ist also legitim zu betrachten, wie Ivanka Trump sich bei ihrem Deutschlan­dbesuch inszeniert hat: perfekt gestylt wie ein Hollywood-Star, diplo- matisch wie eine Botschafte­rin in eigener Sache. Sich zugleich als „Ich glaube, ich bin“-Feministin zu präsentier­en und einen Vater zu verteidige­n, der seine Frauenvera­chtung schon öfter in rüden Sprüchen ausgedrück­t hat, ist schon eine Leistung. Wenn auch mehr Beweis für Geschickli­chkeit denn für Haltung.

Ivanka Trump als Barbie abzutun ist jedoch genauso naiv wie ihren Vater als Rüpel. Beiden sollte man mehr strategisc­hes Geschick unterstell­en. Am Ende könnte aber wieder die Frau die unauffälli­ge Siegerin sein, die auf Mode nicht viel gibt. Angela Merkel nutzt jede Möglichkei­t, mit dem US-Präsidente­n in Kontakt zu bleiben, da bietet sie auch dessen Tochter eine Bühne. So geht wohl Realpoliti­k. Ganz ungeschmin­kt. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

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