Etihad und seine Problemkinder
Alitalia droht die Pleite, Air Berlin steckt ebenfalls in der Krise. Die Araber haben den Wettbewerb in Europa unterschätzt.
FRANKFURT Wer bietet mehr? Die italienische Fluggesellschaft Alitalia soll verkauft werden. Der Staat will bei der maroden Airline aber nicht einspringen – außer über einen Brückenkredit. Mehr will die italienische Regierung nicht für die Alitalia tun. Diesen Brückenkredit für sechs Monate in Höhe von 300 bis 400 Millionen Euro stellte der italienische Wirtschaftsminister Carlo Calenda in Aussicht – bis ein Käufer gefunden sei. Dass das die Lufthansa sein könne, dagegen hat der italienische Verkehrsminister Graziano Delrio zwar nichts einzuwenden. Doch ob die Kranichlinie den italienischen Wettbewerber attraktiv findet, das darf bezweifelt werden. Vielleicht äußert sich das Unternehmen heute bei der Vorlage der Quartalsbilanz. Lufthansa ist zudem im Gespräch als Retter von Air Berlin.
Alitalia und Air Berlin – was die Krisen-Airlines in Deutschland und Italien eint, ist der gemeinsame Großaktionär. Die arabische Fluggesellschaft Etihad ist an Air Berlin mit 29, an Alitalia mit 49 Prozent beteiligt. Sie hat sich bei beiden vor Jahren eingekauft, weil sie auf deren Zubringerdienste für ihre eigenen Langstreckenflüge gesetzt hatte.
Alitalia und Air Berlin arbeiten zusammen, doch beide sind in einer desolaten Verfassung. Air Berlin wird morgen (die für heute geplante Bekanntgabe wurde „aus organisatorischen Gründen“um einen Tag verschoben) Zahlen vorlegen, die schlecht ausfallen dürften, wie Experten vermuten. Schon 2016 hatte die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft einen Nettoverlust von fast 450 Millionen Euro eingeflogen. Der im Februar angetretene Vorstandschef Thomas Winkelmann, der zuvor die Lufthansa-Tochter Germanwings geleitet hatte, dürfte die Belastungen von Air Berlin schonungslos offenlegen, um die Bilanz bereinigen zu können.
Etihad hat wohl die Wettbewerbssituation in Europa falsch eingeschätzt. Der Druck durch Billig-Airlines wie Ryanair oder Easyjet ist so groß, dass vor allem Alitalia nicht standhalten konnte. Die Liquidität der Italiener reicht nur noch bis Ende Mai. Die Kosten sind zu hoch. Folge: Die irische Ryanair ist inzwischen mit einem Anteil von zwei Fünfteln am Mittel- und Nahverkehr Marktführer in Italien.
Auch in Deutschland ist der Wettbewerb durch die Billigkonkurrenz hart. So rechnete die Deutsche Flugsicherung (DFS) dieser Tage vor, dass 2016 zum ersten Mal seit 2010 die Sitzplatzauslastung in den Flugzeugen in Deutschland gesunken sei – auf 75,8 Prozent. Der Grund: die aktuelle „Schlacht um Marktanteile“, wie dies DFS-Chef Klaus Scheuerle nennt.
Er rechnet bis 2018 mit einer Marktbereinigung. Die könnte Experten zufolge so aussehen, dass Air Berlin mit der Lufthansa noch enger zusammenarbeiten werde. Schon jetzt fliegen Air-Berlin-Maschinen für die Lufthansa auf der Kurz- und Mittelstrecke. Das könnte bald auch auf der Langstrecke der Fall sein. Sollte Etihad bereit sein, Air Berlins Schulden von 1,2 Milliarden Euro zu übernehmen, könnte Lufthansa Air Berlin ganz auffangen und dafür Etihad im Gegenzug eine erweiterte Partnerschaft anbieten. Anfang Februar hatten beide bereits eine Kooperation bei Catering und Wartung vorgestellt. Außerdem werden seit Anfang Februar die beiden täglichen Etihad-Flüge zwischen Abu Dhabi und Frankfurt bzw. München unter Lufthansa-Flugnummern angeboten. Umgekehrt sollen die Lufthansa-Flüge zwischen Frankfurt und Rio de Janeiro sowie Bogota mit Etihad-Flugnummern versehen werden. Zudem zieht Etihad in Frankfurt und München in die Lufthansa-Terminals, um Reisenden das Umsteigen zu erleichtern.
Das Bündnis Lufthansa-Etihad könnte noch enger werden, wie die Konzernchefs Carsten Spohr (Lufthansa) und James Hogan (Etihad) damals andeuteten. Selbst ein Gemeinschaftsunternehmen schlossen sie nicht aus. Womöglich forcieren die Krisen bei Air Berlin und Alitalia diese Kooperation. Es wäre für alle Beteiligten gesichtswahrend und würde, so Experten, die notwendige Konsolidierung am Luftverkehrsmarkt vorantreiben.