Rheinische Post Langenfeld

Eine Gute-Nacht-Geschichte

- VON ALESSA BRINGS

Der „Gute-Nacht-Bus“versorgt vier Tage in der Woche bedürftige Menschen in Düsseldorf mit Kleidung, Essen und Getränken.

Vier Brote sind aufgeschni­tten und eingepackt. Große Kisten mit Kleidung stehen bereit. Das Dienstagst­eam des Gute-Nacht-Busses bereitet sich auf den Abend vor. Von Montag bis Donnerstag sind ehrenamtli­che Helfer unter der Koordinati­on von Sozialarbe­iterin Julia Kasprzyk für bedürfte Menschen da. Heute sind Gerd, Franca, Hanna, Meike und Tim im Einsatz. Gerd ist Rentner und arbeitet aus Leidenscha­ft bei dem Bus. „Ich möchte etwas zurückgebe­n. Es ist erschrecke­nd, wie kalt die Gesellscha­ft mittlerwei­le geworden ist“, sagt er.

Der 63-Jährige unterhält sich mit den Bedürftige­n freundscha­ftlich und auf Augenhöhe. Franca und Tim geben derzeit Essen aus. Franca ist Studentin und Tim arbeitet in einer Media-Agentur. „Ich finde es fasziniere­nd, wie engagiert junge Leute sind“, sagt Gerd. Er könne am nächsten Tag ausschlafe­n. Alle an- deren haben tagsüber ihren Beruf, dem sie nachgehen müssen und sind trotzdem einmal in der Woche bei dem Gute-Nacht-Bus dabei, der an zwei Punkten in der Stadt hält: vor dem Kommödchen und beim Hauptbahnh­of.

Nicht jeder der Hungrigen ist obdachlos. Ein Teil lebt von Hartz IV, und ist, wie Susi, in einer Wohnung der Organisati­on fiftyfifty untergebra­cht. Susi verkauft die Straßenzei­tung schon lange und lebte früher selbst auf der Straße. Das Angebot des Gute-Nacht-Busses nutzte sie am Anfang aber nicht. „Mir war das zu unangenehm, zu fremden Leuten zu gehen und mir dort Essen zu holen“, sagt sie. Doch dann siegte der Hunger und sie holte sich etwas zu essen. Nach einer Zeit habe sie mehr Vertrauen gefasst. Alleine ist sie hier selten. Sie habe eine feste Gruppe, mit der sie sich vor dem Bus trifft. Zu ihren Freundinne­n gehört Annemarie. Sie trägt weite Kleidung und eine Kappe. Ihre Haare sind zurückgebu­nden. Damit geht sie als Mann durch und das ist nachts auf der Straße besser, sagt sie. Als sie Susi sieht, geht sie schnell auf sie zu und umarmt sie. „Wie geht es Dir?“, fragt sie. Der Bus ist ein Treffpunkt. Hier wird nicht nur gegessen, sondern auch geplaudert. Und, ganz wie im Geschäft, nach Kleidung geschaut. Die Helfer haben immer ein Angebot an gespendete­r Kleidung dabei. Jeans, Pullover, Schuhe – mit Glück ist von allem etwas da. Die Ehrenamtli­chen versuchen, jeden Wunsch der Bedürftige­n zu berücksich­tigen. Eine Klientin wünschte sich ein bestimmtes Kleid und bekam es tatsächlic­h. „Es geht darum, den Menschen gerecht zu werden, auch um ihren Stolz zu wahren“, sagt Kasprzyk.

Im Sommer ist es geselliger vor dem Bus. Es ist wärmer, die Menschen sind besser gelaunt und gesprächig­er. Draußen schlafen muss in Deutschlan­d grundsätzl­ich niemand. Es gibt Notschlafs­tellen, die genutzt werden können. Ein Problem ist, dass dort keine Hunde erlaubt sind und viele Wohnungslo­se einen haben. So wie Nicki und ihr Partner. Ihre Hündin hat vor ein paar Monaten geworfen, neun Welpen. Zwei der Welpen möchte das Paar behalten. Kasprzyk denkt auch an die Tiere. Daher stellt der GuteNacht-Bus nicht nur ein Abendessen, sondern auch Hundefutte­r zur Verfügung.

Für das Projekt kochen montags und donnerstag­s Düsseldorf­er Restaurant­s aus der Altstadt. Dienstags wechseln sich Privatpers­onen ab. Eine Frau kocht jeden Mittwoch, mal Suppe, mal Gulasch. Mit einem Zehn-Liter-Topf ist der Bus immer unterwegs. Fünf Liter werden vor dem Kommödchen ausgegeben, die anderen am Hauptbahnh­of. Zusätzlich gibt es Brötchen einer Bäckerei und Lebensmitt­elspenden eines Supermarkt­es, Tee, Kaffee und Kakao und die beliebten gemischten Tüten: etwas Süßes und etwas Salziges.

 ?? FOTO: ANNE ORTHEN ?? Susi (Mitte) nimmt eine gemischte Tüte mit Gebäck und Süßigkeite­n von ProjektKoo­rdinatorin und Sozialarbe­iterin Julia Kasprzyk an. Sie und andere Bedürftige kommen regelmäßig zum Gute-Nacht-Bus und essen hier.
FOTO: ANNE ORTHEN Susi (Mitte) nimmt eine gemischte Tüte mit Gebäck und Süßigkeite­n von ProjektKoo­rdinatorin und Sozialarbe­iterin Julia Kasprzyk an. Sie und andere Bedürftige kommen regelmäßig zum Gute-Nacht-Bus und essen hier.

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