AfD-Fraktion im Bundestag hätte viele Radikale
Am Sonntag könnte die AfD drittstärkste Kraft werden. Bei den potenziellen Abgeordneten überwiegen die ziemlich rechten.
BERLIN Selbst Frauke Petry ist offensichtlich besorgt. In einem Zeitungsinterview ging die AfD-Chefin nun auf Distanz zum Spitzenduo ihrer eigenen Partei. Sie verstehe, dass die Wähler angesichts der Aussagen von Alice Weidel und Alexander Gauland entsetzt seien. „Es ist zu erleben, dass sich gerade viele bürgerliche Wähler abwenden“, sagte Petry der „Leipziger Volkszeitung“. Der Druck auf die Kanzlerin sei durch die „internen Verwerfungen“der AfD kleiner geworden. Zugleich ist aber die Gefahr größer geworden, dass sich der äußerst rechte Flügel in der Partei – und vor allem in der künftigen AfD-Fraktion im Bundestag – durchsetzen wird.
An rechtem Schlagzeilenpotenzial mangelte es beiden Spitzenkandidaten im Wahlkampf indes nicht. Von Weidel, die sonst gemäßigt auftrat, war eine vermeintlich 2013 verfasste, rassistische E-Mail aufgetaucht. Der als national-konservativ geltende Gauland plädierte erst dafür, die in Deutschland geborene Integrationbeauftragte Aydan Özoguz in Anatolien zu „entsorgen“, um wenig später die Taten der Wehrmacht zu relativieren: Deutsche hätten das Recht, „stolz zu sein auf die Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen“, sagte Gauland bei dem „Kyffhäuser-Treffen“des rechten Flügels in Thüringen.
Je nach Wahlergebnis und Größe des Bundestags käme die AfD auf bis zu 100 Abgeordnete. Bei zehn Prozent Stimmenanteil wären es rund 80 AfDler – zuzüglich mehrerer Hundert Mitarbeiter.
Der Thüringer Partei- und Fraktionschef Björn Höcke, dessen Ausschlussverfahren im Übrigen immer noch unentschieden ist, kandidiert nicht für den Bundestag. Aber einige ihm vertraute und verbundene AfDler werden wohl im nächsten Bundestag sitzen. Rechtsanwalt Stephan Brandner (51) zum Beispiel, der Thüringer Spitzenkandidat, der in seinen Reden Linke, Grüne und FDP als Sekte, die CDU und die SPD eine „Schande für Deutschland“bezeichnet; für SPD-Vizechef Ralf Stegner die „Hackfresse der Nation“ist und Kanzlerin Angela Merkel die „Fuchtel aus dem Kanzleramt“, der er Beihilfe zu Sexualdelikten und Morden vorwirft.
Ähnlich scharfe Töne schlägt der NRW-Spitzenkandidat Martin Renner (63) an. Gerne spricht er vom „gescheiterten korrupten Altparteien-Kartell“, gegenüber dem die AfD „systemgenetisch“eine rechte Partei müsse. Die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus ist für Höcke-Sympathisant Renner ein „Schuldkult“. Zwischen Islam und Islamismus macht der Betriebswirt und Ex-CDUler keinen Unterschied; Zuwanderung ist für ihn „Selbstzerstörung der deutschen Kultur und Nationalität“.
Da ist außerdem Jens Maier, Pegida-Redner und auf Platz zwei der sächsischen Landesliste direkt hinter Petry. Der Richter am Landgericht war Höckes Vorredner vor des- sen „Denkmal der Schande“-Rede, forderte dort das Ende des deutschen „Schuldkults“und warnte vor „Mischvölkern“. Er behauptet, in islamisch geprägten Kulturen besäßen Frauen keine Rechte, und zeigte schon öffentlich Verständnis für den Massenmörder Anders Breivik.
Auch Petr Bystron, Landeschef der AfD Bayern, hat beste Chancen auf den Bundestag. Der Ex-FDPler steht unter Beobachtung des Verfassungsschutzes wegen seiner Nähe zur rechtsradikalen „Identitären Bewegung“. Im Frühjahr hatte Bystron erklärt, es sei eine „tolle Organisation, die müssen wir unterstützen“.