„Bei einem Verkauf ist das Timing entscheidend“
Auch wenn die Zinsen bei der Geldanlage niedrig sind: Wer eine externe Nachfolge durch Verkauf erwägt, findet jetzt beste Gelegenheiten vor. Die erzielbaren Preise für Unternehmen sind so hoch, dass sie die fehlende Rendite auf den Verkaufspreis mehr als ausgleichen.
Die Zeiten für Unternehmensverkäufer sind gut. Nationale und internationale Wettbewerber und Investoren sind regelmäßig auf der Suche nach gut geführten Unternehmen, sei es, um das eigene operative Geschäft zu erweitern und Synergien zu heben, sei es, um Rendite über den Sachwert zu erwirtschaften. „Deshalb bietet sich der Unternehmensverkauf gerade auch für Eigentümer an, die eine Exit-Strategie für den unternehmerischen Ruhestand suchen. Aber viele Unternehmer lehnen diese Option ab – die niedrigen Zin- sen lassen grüßen“, sagt Christian Grandin, Partner und Geschäftsführer der internationalen M&A-Beratung Livingstone in Düsseldorf, aus Erfahrung. „Die Haltung: Das unternehmerische Vermögen lässt schließlich laufende Ausschüttungen zu, und im Vergleich dazu ist die Anlagerendite auf einen Verkaufspreis nicht interessant. Früher hätte es sich ja noch gelohnt zu verkaufen, da war die Rendite deutlich höher, aber heutzutage nicht mehr.“
Dieses Argument erscheine im ersten Moment sogar schlüssig, lasse aber weitere wichtige Faktoren außer Acht, betont der Transaktionsexperte. Denn: „Mit der Reduktion der erzielbaren Rendite am Kapitalmarkt haben sich mehrere positive Effekte eingestellt, die einen so erheblichen Einfluss auf den Wert einer unternehmerischen Beteiligung haben, dass sie den (temporären) Renditeverlust aus der Wiederanlage voraussichtlich überkompensieren.“Dies hänge damit zusammen, dass die Profitabilität eines Großteils der mittelständischen Unternehmen mit der in den zurückliegenden Jahren erfreulichen Wirt- schaftsentwicklung überproportional gestiegen sei.
Durch die niedrigen Zinsen seien die Investitionskraft der Unternehmen und die Nachfrage gestiegen – „das führt zu einer höheren Ertragskraft und einem gesteigerten Cashflow und damit einem insgesamt höheren Wert des Unternehmens. Der Preis steigt also – und das zum Teil ganz erheblich“, sagt Christian Grandin. Das Berechnungsprinzip dahinter: Die Bewertung kann vereinfachend über Multiplikatoren auf das nachhaltige Unternehmensergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) ausgedrückt werden. Steigt das Ebitda um zehn Prozent, erhöht sich unter der Annahme gleicher Bewertungsmultiplikatoren auch der Unternehmenswert entsprechend.
„Sehr zum Vorteil von Unternehmenseigentümern haben sich diese Multiplikatoren in den vergangenen Jahren ähnlich gut entwickelt wie viele Gesellschaften. Unternehmen und Investoren wollen ihre Liquidität möglichst gewinnbringend anlegen: So wie Angebot und Nachfrage die Börsenkurse und Immobilienprei- se positiv beeinflussen, sind auch die Preise für Unternehmensbeteiligungen sprunghaft angestiegen. Wer vor vier oder fünf Jahren für ein mittelständisches Unternehmen in einer nach der letzten Wirtschaftskrise wieder stabilisierten Konjunktursituation für das Fünffache des nachhaltigen Ebitda verkaufen konnte, wird in der heutigen Konjunk- tursituation deutlich höhere Multiplikatoren erzielen können, die nicht selten über dem Faktor acht oder gar darüber liegen.“Daraus folgt für Christian Grandin: „Trotz niedriger Rendite auf den Verkaufserlös ergibt ein Unternehmensverkauf in der aktuellen Situation absolut Sinn. Auf einen heute bereits vereinnahmten hohen Verkaufspreis kann auch eine temporär niedrigere Rendite verschmerzt werden – zumal die Niedrigzinsphase nicht unendlich andauern wird.“
Dazu komme ein weiterer Punkt. Auch wenn es aktuell nicht nach einer Abschwächung der Konjunktur aussehe, werde eine Abkühlung natürlich zu geringeren Preisen führen – und zwar schon frühzeitig, weil vor allem Investo- ren Zukunftsprognosen immer einpreisten. Das Resümee des Livingstone-Partners: „Wer eine externe Nachfolge durch Verkauf erwägt, sollte alle Aspekte gut abwägen und nicht nur niedrige Alternativrenditen bei der Bewertung der Optionen im Auge haben. Wie an der Börse ist das Timing bei einem Verkauf entscheidend – und das ist aktuell sehr gut.“