Siemens treibt Fusion seiner Bahn-Sparte voran
Mögliche Partner sind Alstom und Bombardier. Beide Szenarien sollen heute im Aufsichtsrat diskutiert werden.
KREFELD (maxi) In der europäischen Eisenbahnindustrie rückt offenbar eine Mega-Fusion immer näher. Der Münchener Technologiekonzern Siemens soll einem Bericht des „Handelsblattes“zufolge bereits heute bei einer Sondersitzung über zwei mögliche Bündnisse beraten: einen Zusammenschluss mit dem französischen Bahn-Konzern Alstom sowie ein Bündnis mit der Bahntochter des kanadischen Konkurrenten Bombardier. Mit beiden Deals entstünde auf einen Schlag der zweitgrößte Eisenbahn-Konzern der Welt.
Die Beschäftigten am SiemensStandort Krefeld treffen die Pläne offenbar überraschend. „Wir haben noch keine weitergehenden Informationen“, sagte Betriebsrat Heinz Spörk unserer Redaktion. „Ich will mich nicht an Spekulationen beteiligen.“
Der Handlungsdruck auf die westlichen Unternehmen hat in den vergangenen Jahren immens zugenommen. Ende 2014 verschmolzen die beiden chinesischen Konzerne CNR und CSR zum weltgrößten Zug-Hersteller CRRC. Mit insgesamt rund 185.000 Beschäftigten setzten die Chinesen im vergangenen Jahr nach eigenen Angaben umgerechnet 28,5 Milliarden Euro um. In Europa ist der Konzern bislang noch auf der Suche nach einem Partner, der vor allem bei den schwierigen Zulassungen behilflich ist. Als aussichtsreichster Kandidat für die Rolle des Türöffners gilt Skoda Transportation.
Um der Markt-Dominanz der Chinesen etwas entgegensetzen zu können, verlangt Siemens-Chef Joe Kaeser schon seit Längerem eine Branchenkonsolidierung. Die favorisierte Lösung dürfte das Zusammengehen mit Alstom sein. Ein Gemeinschaftsunternehmen hätte rund 60.000 Beschäftigte und käme auf einen Umsatz von rund 15 Milliarden Euro. Die beiden VorzeigeHochgeschwindigkeitszüge ICE und TGV würden fortan unter ein Dach produziert werden. Nach übereinstimmenden Medienberichten soll Siemens bei einer Entscheidung zugunsten von Alstom knapp die Mehrheit an dem fusionierten Konzern halten, die Franzosen sollen im Gegenzug den Vorstandschef stellen. Der Sitz der neuen Gesellschaft könnte in Paris sein. Neben dem Siemens-Aufsichtsrat wird sich auch der Verwaltungsrat von Alstom heute mit den Plänen befassen. Das Geschäft dürfte auch die Wettbewerbshüter auf den Plan rufen. Eine Fusion gilt als kartellrechtlich äußerst schwierig. Siemens hatte bereits 2014 gemeinsam mit Mitsubishi Heavy Industries vergeblich versucht, Alstom zu übernehmen. Die Energie-Sparte ging an General electric, die Zugsparte blieb dank des Eingreifens der französischen Regierung eigenständig.
Beobachter gehen davon aus, dass die Chancen von Bombardier Transportation, als möglicher Partner zum Zuge zu kommen, inzwischen verschwindend gering sind. Der Konzern ist gerade dabei, ein umfassendes Sparprogramm umzusetzen, versicherte gestern jedoch, auf betriebsbedingte Kündigungen verzichten zu wollen.