Völlig verzockt
Frauke Petry und Marcus Pretzell hatten sich politisch gefunden, bevor sie ein Paar wurden. Die Bundesvorsitzende und der Landeschef – beide überehrgeizig und machtorientiert. Beide haben es übertrieben, ob nun inhaltlich oder zwischenmenschlich macht letztlich keinen Unterschied. Im Übrigen verstanden es beim Thema Flüchtlinge beide von Zeit zu Zeit gut, auch die scharfen Töne zu treffen. Zuletzt konnten sie die Mitglieder nicht mehr mitreißen, mit ihrem vermeintlich realpolitischen Kurs nicht und nicht mit ihrem Abgang. Sie haben sich verzockt. Sie wählten deshalb dafür keinen Parteitag, das wären unschöne Szenen geworden.
Drei Parteikollegen folgten ihrem Austritt bisher. Von einer Spaltung der AfD kann man also nicht sprechen. Im Gegenteil: Die Masse der Mitglieder wird der Abgang eher zusammenschweißen, die nach rechts nun weit offene AfD wird er stärken. Wähler wie Parteikollegen eint das Gefühl von Verrat. Ginge es Petry und Pretzell wirklich um Inhalte, hätten sie vor der Bundestagswahl gehen müssen und nicht erst nach Erreichen des Bundestagsmandats. Zusammen kommen der EU-Parlamentarier Pretzell und die sächsische Landtagsabgeordnete nun auf vier Mandate. Bleibt abzuwarten, was sie draus machen. BERICHT
Jamaika als Chance
Für manchen Bürger mag die Aussicht auf Schwarz-Gelb-Grün befremdlich sein, für die Wirtschaft ist sie es nicht. Die Grünen sind kein Bürgerschreck mehr, zumal die FDP schon dafür sorgen wird, dass die Öko-Partei allzu radikale Pläne begraben muss. In manchen Bereichen kann Jamaika sogar mehr als ein Bündnis sein, das nur mangels Alternative geschmiedet werden muss: In der Rentenpolitik sind neue Geschenke zulasten künftiger Generationen nicht zu befürchten. Anders als die große Koalition haben FDP und Grüne die Jungen im Blick. Für manche Branchen kann Jamaika sogar Innovationstreiber sein: Gegen einen Diesel-Ausstieg hat – bei langen Vorlaufzeiten – nicht einmal VW etwas. Zur Nagelprobe dürfte das grüne Symbolthema Klimapolitik werden, hier muss die Kanzlerin mal mehr als moderieren.
Jamaika ist eine Chance für die Wirtschaft. Nun kommt es darauf an, dass die Parteien diese nutzen. Was die Wirtschaft nicht gebrauchen kann, sind monatelange Koalitionsverhandlungen. Unsicherheit bremst den Boom. Und in der Steuer- und Energiepolitik darf gerne rasch etwas geschehen. BERICHT
Macrons Grenzen
Macron hat einen großen Wurf gewagt. Viele Teile seines ambitionierten Zukunftsplans für Europa sind zu begrüßen, etwa die Einführung eines Mindest-Firmensteuersatzes, ein gemeinsames Verteidigungsbudget, gemeinsame Anstrengungen bei Digitalisierung und Energiewende, die Wiederbelebung des EU-Klimaschutzes.
Doch Macron will eben auch die Schuldenhaftung an vielen Stellen vergemeinschaften. Hier kann und darf Deutschland nicht mitgehen. Denn es soll für Dinge in Haftung gehen, für die es gleichzeitig die eigene Entscheidungsbefugnis an die Mehrheit der Gemeinschaft verlöre. Dies wäre der Fall bei einer gemeinsamen Arbeitslosenversicherung oder einer gemeinsamen Banken-Einlagensicherung. Beides wird zu Recht von Schäuble und anderen abgelehnt.
Auch ein Eurozonen-Budget für Investitionen, das Macron aus harmonisierten Unternehmensteuern speisen will, kann Deutschland deshalb nicht unterstützen. Das Gros der Steuern käme schließlich aus der größten Volkswirtschaft. Verteilen würden das Geld dann aber vor allem andere. Das geht so nicht. BERICHT MACRON FORDERT EU-ASYLBEHÖRDE, TITELSEITE