Schutz vor den Untiefen im Insolvenzrecht
Unternehmen laufen trotz einer Reform des Anfechtungsrechts weiter Gefahr, vom Insolvenzverwalter eines zahlungsunfähigen Geschäftspartners in Anspruch genommen zu werden. Geschäftsführern drohen hohe Haftungsrisiken. Doch man kann sich wappnen.
Einer der spektakulärsten Pleitefälle der jüngsten Zeit ist die Insolvenz der Fluggesellschaft Air Berlin. Für Caterer, Wartungsfirmen oder Lieferanten kann es noch zu einem bösen Erwachen kommen. Sachwalter oder Insolvenzverwalter (je nach weiterem Verlauf des Verfahrens) könnten von ihnen unter Umständen Zahlungen zurückfordern, die die Airline geleistet hat.
Was hier im Fokus der Öffentlichkeit passiert, ist im Wirtschaftsalltag Usus. Anfechtung heißt das Instrument, mit dem sich Insolvenzverwalter bereits gezahlte Beträge zurückholen, selbst wenn die Leistungen vertragsgemäß erbracht worden waren. Voraussetzung: Der Verwalter kann nachweisen, dass der Lieferant oder Dienstleister Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit hatte. Selbst nach der neuen, entschärften Fassung des Anfechtungsrechts ist dies möglich für Zahlungen, die bis zu vier Jahre zurückliegen.
Insolvenzverwalter nutzen das Instrument in jüngster Zeit sogar verstärkt, weiß Dr. Volker Hees, Insolvenzrechtsexperte und Partner in der Kanzlei Hoffmann Liebs Fritsch & Partner (HLFP). Hintergrund: Insolvenzanträge werden immer später gestellt, damit sinken die Insolvenzmassen, aus denen Gläubiger befriedigt werden können. Die Insolvenzverwalter versuchen, für die Gläubiger die Masse anzureichern – eben auch durch verstärkte Anfechtungen.
Doch nicht jede ist juristisch wasserfest, stellt Hees fest. Es lohne sich also für betroffene Unternehmen, einen Fachanwalt einzuschalten. Er rät, nicht aus Angst heraus der Zahlungsaufforderung einfach zu folgen. Verwalter schüchtern häufig ein, wenn sie der Aufforderung gleich schon die Klageschrift für den Fall beifügen, dass nicht gezahlt wird. „Man sollte jede Aufforderung erst in Ruhe prüfen“, sagt Hees. „Ein Experte wird feststellen, ob die Forderung berechtigt ist oder nicht, ob gegebenenfalls ein Vergleich mit dem Insolvenzverwalter möglich ist.“
Ob man einen Rechtsstreit vermeiden kann, hängt vom Einzelfall ab. Manchmal hilft Gegenwehr. „Wenn die Insolvenzmasse gering ausfällt, fehlen dem Verwalter die Mittel für eine Klage“, erklärt der erfahrene Praktiker. Ein Verwalter kann dann zwar Prozesskostenhilfe beantragen, die kann die Gegenseite aber hinterfragen lassen. „Wenn wir sehen, dass ein Antrag auf Prozesskostenhilfe die hohen Anforderungen nicht erfüllt, erheben wir Einwände.“
Wie ein Fall in der Praxis aussehen kann, beschreibt Hees plastisch an einem Beispiel: „Der Insolvenzverwalter eines insolventen Tapetenhändlers forderte von unserem Mandanten aus Vorsatzanfechtung (nach Paragraf 133 Absatz 1 der Insolvenzordnung) die Rückzahlung von rund 200.000 Euro, die die Schuldnerin für die laufende Belieferung mit Tapeten gezahlt hatte. Angeblich habe man die Zahlungsunfähigkeit aufgrund verspäteter, überfälliger Teilzahlungen erkannt. Der Insolvenzverwalter drohte mehrfach Klage an. Wir konnten jedoch anhand umfassender Analyse der Verträge und des Zahlungsverhaltens nachweisen, dass die Zahlungsziele eingehalten wurden, der eingeräumte Lieferantenkredit auch Teilzahlungen zuließ und sich das Zahlungsverhalten de facto nicht verändert hatte. Der Verwalter sah daraufhin von weiterer Rechtsverfolgung ab. Die Forderung ist mittlerweile verjährt.“
Am besten prüfen Unternehmen schon vor Krisen, mit wem sie zusammenarbeiten und wie. Nach dem seit April geänderten Anfechtungsrecht sind sie im Prinzip auf der sicheren Seite, auch wenn sie für Zahlungen Tilgungs- oder Ratenzahlpläne vereinbart haben, wenn sie Vorkasse verlangen oder Zahlungen binnen 30 Tagen vereinbart haben. Dennoch versuchen Verwalter nach Beobachtung von Hees, nachzuweisen, dass der Liefe- rant wusste, sein Kunde ist zahlungsunfähig.
Um Masse zu generieren, nehmen Insolvenzverwalter auch die Geschäftsführer der insolventen Unternehmen ins Visier. Wenn sie, zum Beispiel nach Erstellen des Jahresabschlusses, erkennen, dass ihr Unternehmen überschuldet ist, und dann noch Zahlungen leisten, sind sie dafür regresspflichtig. Die aktuelle Rechtsprechung verschärft dies noch. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom Juli haften die Geschäftsführer selbst fürs Bezahlen von Strom, Telefon oder Löhnen. Ausgenommen sind nur Zahlungen von Steuern, Arbeitnehmeranteilen an die Sozialversicherung und sanierungsunterstützende Beraterhonorare.
Hees rät den Managern, sofort alle Zahlungen einzustellen, wenn sie die Überschuldung feststellen, Sanierungsoptionen zu prüfen und gegebenenfalls schnell einen Antrag zu stellen.
Damit nicht genug: Die Versicherungen für die Managerhaftung (D&O) lehnen auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle hin häufig den Versicherungsschutz für solche Fälle ab. Es handele sich nicht um versicherte Vermögensschäden, sondern um eine andere Schadensart, so das Argument. Auch hier ein Tipp des Praktikers: Manager sollten sich von ihrer D&O-Versicherung bestätigen lassen, dass die genannten Fälle abgedeckt sind.
Mit ihrer Beratung in solchen und vielen anderen Fällen hat die Kanzlei HLFP übrigens zuletzt markante Erfolge erzielt. Jedenfalls wurden die Anwälte vom renommierten Juve-Verlag für die Auszeichnung „Kanzlei des Jahres für den Mittelstand“nominiert. Allein die Nominierung für die Juve-Awards gilt in der Branche bereits als Gütesiegel.