KULTURTIPPS
Erich Kästner und der kleine Dienstag Die rätselhafte Musik der Band The Necks „Licht im August“jetzt als tolles Hörspiel
DVD Es ist das Berlin der späten 20er Jahre: Erich Kästner (Florian David Fitz) hat sich in der Metropole längst einen Namen gemacht, als Autor, Pazifist, Lebemann. Einer seiner größten Bewunderer ist der kleine Hans Löhr, der eines Tages vor der Tür seines Idols steht. Bald entwickelt sich eine Freundschaft zwischen dem Autor und dem Berliner Jungen. Als „Emil und die Detektive“verfilmt wird, geht für Hans sein größter Traum in Erfüllung – er darf den „kleinen Dienstag“spielen. Die Zeiten ändern sich, als die Nazis die Macht ergreifen. Kästner bangt wie viele andere in jener Zeit um sein Leben – längst wurde ein Großteil seiner Schriften verbrannt. Um seinen jungen Freund zu schützen, fasst er einen drastischen Entschluss und die Freundschaft zwischen den beiden wird auf eine harte Probe gestellt. „Kästner und der kleine Dienstag“ist eine wahre Begebenheit, die ganz ohne Kitsch, die Zuschauer berührt. Natalie Urbig Jazz Es ist eigenartig, wie man auf Musik stößt, die man sehr bald schon als Lieblingsmusik bezeichnet. Der Schriftsteller Geoff Dyer, der tolle Bücher schreibt, veröffentlichte vor einiger Zeit einen Essay über eine Band, die ihn seit Jahrzehnten nicht loslässt. Diese Band heißt The Necks und kommt aus Australien, und weil Dyer in seinem langen Artikel so genau und euphorisch über deren Platten schrieb, war ich mir sicher, dass das etwas für mich ist. Ich besorgte mir direkt eine Box, die acht Alben der Gruppe versammelt, und inzwischen weiß ich gar nicht, wie ich so lange ohne diese Musik leben konnte.
Man kann The Necks keinem Genre zuordnen, das Trio produziert seit drei Jahrzehnten eine mysteriöse, aber nie esoterische Mischung aus Jazz, Postrock, Krautrock und Ambient. Die instrumentalen Stücke, die sich gelegentlich über die gesamte Länge einer CD ausbreiten, schweben; sie bewegen sich nur millimeterweise voran. Chris Abrahams, Lloyd Swanton und Tony Buck brauchen lediglich Percussion, Piano und Bass, um eine neue Welt im Nebel zwischen den Genres zu erschaffen.
The Necks haben mehr Fans verdient, und ganz sicher hätten sie auch mehr Fans, wenn häufiger Hörspiel Was für ein großes Buch, und was für eine wunderbare Bearbeitung! Und dazu gehört Mut und eigene Überzeugung, sich an einen so großen Roman wie William Faulkners „Licht im August“von 1932 zu wagen und daraus ein Hörspiel zu zaubern. Wir gingen also ein wenig skeptisch ans neue Werk – und sind sofort in die Südstaatenvergangenheit eingetaucht. In das verzweifelte Leben der Menschen, die Armut, den Dreck, die Verzweiflung, den Rassismus. Unglaublich diese Inszenierung, an der 70 Sprecher mitgearbeitet haben, darunter Ulrich Matthes, Tom Schilling und Yohanna Schwertfeger. Diese Bearbeitung zeigt einmal, dass sich großer Aufwand lohnt und dass vor allem das Hörspiel dann in der Lage ist, den großen Erzählungen der Weltliteratur einen neuen, spannenden und gleichwertigen Ausdruck zu geben. Wer einen CD-Player nur noch im Auto hat, sollte volltanken und dem „Licht im August“entgegenfahren.
Lothar Schröder
William Faulkner Hörspiel, acht CDs, 360 Min., Hörbuch Hamburg, ca. 20 Euro über sie gesprochen würde. Eine Gelegenheit dazu bietet nun das Album „Unfold“, und auch diese aktuelle Produktion trägt wie die Vorgänger „Aether“und „Vertigo“einen Titel, der wie eine Beschreibung dieser Musik anmutet.
Es weht ein Hauch von Melancholie durch die vier langen Stücke, die übrigens auf Ideologic Organ erschienen sind, dem Label von Ste- phen O’Malley von der Gruppe Sunnn O))). Es dräut darin, es beruhigt sich nie, und obwohl sie die Langsamkeit feiern und kaum je laut werden, wagen sich The Necks nie in die Komfortzone vor. Das Piano könnte solo auch auf Platten der Qualitätsfirma ECM zu hören sein, aber es versinkt in Soundkaskaden aus Hi-Hat und Rassel. Das 20 Minuten lange „Blue Mountain“ist der Höhepunkt der Platte, und man würde gern wissen, wie es entstand – aus der Improvisation, nach langer Planung? The Necks reden indes nicht. Hoffentlich hören trotzdem viele zu. Philipp Holstein