Der Boxer mit dem schnellen Mundwerk
Peter „dä Aap“Müller war bekannt für flotte Fäuste und kölsche Sprüche. Vor 55 Jahren verlor er seinen größten Kampf.
KÖLN Es gab im Boxen mal eine Zeit, da war das Image eines Boxers keine Inszenierung seines Managers, sondern ein Produkt des Volksmundes. Und von Image, wie beim Gentleman Henry Maske oder Doktor Eisenfaust Vitali Klitschko, hätte damals auch niemand geredet, eher von einem Spitznamen. Peter Müller hieß „dä Aap“, kölsch für „der Affe“– wegen seiner gebeugten Kampfhaltung, seines fröhlichen Gesichtsausdrucks und seiner üppigen Brutbehaarung. Müller war ein Kölner Original, einer, für den Boxen die Fortführung des Lebens mit anderen Mitteln war. Wenn Graciano Rocchigiani der Sohn eines sardischen Eisenbiegers ist, dann war dä Aap vor allem ein Sohn seiner Heimatstadt, ein populärer Sohn. Vor 55 Jahren verlor Müller seinen größten Kampf.
Am 30. März 1963 wollte der Mann aus dem Kölner Arbeiterviertel Sülz vor 17.000 Zuschauern in der Dortmunder Westfalenhalle Europameister werden. Es war sein zweiter Anlauf auf diesen Titel. Beim ersten, 1959, war er Gustav „Bubi“Scholz unterlegen. Nun, gegen den dreimaligen ungarischen Olympiasieger László Papp, reichte es für den Herausforderer nur bis zur vierten Runde, dann ging er K.o. Es war die dritte Niederlage im dritten Duell mit Papp. Dabei hatte Müller zuvor noch großspurig angekündigt: „Dä Papperlapapp, dä hau ich vor die Schnüss.“
Insgesamt fünfmal wurde Müller Deutscher Meister im Mittelgewicht. Von 176 Kämpfen gewann er 133, davon 68 durch K.o., aber bekannt wurde er durch einen Schlag, mit dem er keinen Gegner, sondern den Ringrichter niederstreckte: Am Reporter, was Müller denn von Omo halte? „Dä schlahn ich in der ersten Rund kapott“, lautete die Antwort.
Müller galt intellektuell nicht als hellste Leuchte am Firmament, aber das erwartete auch niemand von ihm. Er trug das Herz auf der Zunge oder die Zunge in der Schlaghand – immer „feste druff“jedenfalls. Vor einem Kampf in den USA soll er sich eine Mundharmonika in den Ring haben reichen lassen und spielte darauf das Horst-Wessel-Lied, weil er es fälschlicherweise für die deutsche Nationalhymne gehalten hatte. Er war nicht nur Boxer, er versuchte sich als Wrestler, er war Taxifahrer, und nach seinem Karriereende im Ring 1966 stieg er ins Geschäft mit Spielautomaten ein. Er heiratete die Tochter seines Trainers.
Als 1971 der erste Boxkampf live im deutschen Fernsehen übertragen wurde, schlug noch einmal Müllers große Stunde. Seine Rolle vor dem Kampf Cassius Clay – später Muhammad Ali – gegen Joe Frazier: Er sollte einen Programmhinweis für die ARD aufsagen. „Nicht vergessen: Boxen diese Nacht 3.25 Uhr Clay gegen Frazier im ersten Programm. Bitte aufstehen nicht vergessen.“Noch heute kursiert bei YouTube ein Video vom Dreh des Spots, und wer sich die gut zwei Minuten anguckt, stellt sich die Frage, wer damals ob der vielen Versuche entnervter gewesen sein dürfte – Müller selbst oder die Fernsehcrew.
1987 entstand ein 45-minütiger Dokumentarfilm über ihn, erzählt von seinem früheren Ringarzt. 1992 starb Peter Müller. Mit 65. An den Folgen eines Herzinfarktes. Sein Grab liegt auf dem Kölner Südfriedhof. „Box-Champion“ist in den Grabstein eingraviert, genauso wie zwei Boxhandschuhe. Nur „dä Aap“steht dann doch nirgendwo.