Familiennachzug wird eng gefasst
Seehofer erarbeitet Gesetzentwurf: Wer zu Gewalt oder Hass aufruft, soll keine Angehörigen nachholen dürfen. Der Ausschluss auch von Hartz-IV-Empfängern führt zu Streit mit der SPD.
BERLIN Wenn ab August auch Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus Angehörige nachholen dürfen, soll der Kreis der Begünstigten nach dem Willen von Innenminister Horst Seehofer (CSU) enger gefasst werden, als es im Koalitionsvertrag vorgesehen war. Sollten ursprünglich nur „Gefährder“ausgeschlossen werden, will Seehofer nun auch alle sperren, die politisch oder religiös motivierte Gewalt ausübten, dazu aufriefen, oder zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufgestachelt haben.
Nach der Flüchtlingsdynamik im Jahr 2015 hatte die große Koalition ab Mitte März 2016 den Familiennachzug bei sogenannten subsidiär Schutzbedürftigen gestoppt. Das sind Flüchtlinge, die zwar nicht den Kriterien der Genfer Flüchtlingskonvention und auch nicht dem deutschen Asylrecht entsprechen, wegen der Zustände in ihrer Heimat aber vorerst in Deutschland bleiben dürfen. Der untersagte Nachzug lief diesen März aus und wurde bis Ende Juli mit der Verpflichtung ver- längert, ab August monatlich bis zu 1000 Angehörige von subsidiär Geschützten aufzunehmen.
Wie aus dem Gesetzentwurf weiter hervorgeht, will Seehofer mit den Einschränkungen unter anderem aus dem Dschihad („heiliger Krieg“) heimkehrenden Islamisten und deren Angehörigen den Nachzug versagen. Verfassungsfeindliche Grundhaltungen könnten fortgesetzt und in Familienverbünden verfestigt werden. Dschihadisten pflegten „in familiären Strukturen häufig eine stark ideologisierte Lebensweise“, heißt es in dem Entwurf zur Begründung.
Ein Konflikt mit dem Koalitionspartner SPD zeichnet sich bei einer Kann-Bestimmung ab, wonach die Diplomaten vor Ort Visa zum Familiennachzug auch ablehnen dürfen, wenn derjenige, zu dem die Angehörigen kommen wollen, für ihren Unterhalt nur mit Hilfe von Sozialleistungen sorgen kann. Es gebe eine klare Vereinbarung zum Familiennachzug im Koalitionsvertrag von SPD und Union, erklärte SPDInnenexperte Burkhard Lischka und mahnte Seehofer: „Der Bundesinnenminister ist daher gut be- raten, keine Vorschläge zu machen, die über diese Vereinbarung hinausgehen“, sagte Lischka unserer Redaktion. Ausschlaggebend für einen Nachzug sollten humanitäre Gründe sein, nicht der Geldbeutel der betroffenen Familien. Die FDP sieht zwar auch die Aufnahmefähigkeit Deutschlands begrenzt und will den Familiennachzug regeln. „Wichtig ist aber, aus humanitären Aspekten jeden Einzelfall zu prüfen, anstatt wie Seehofer eine willkürliche Zahl zu setzen“, kritisierte FDPFraktionsvize Stephan Thomae.
Nachzugsberechtigt sind nach dem Gesetzentwurf nur Angehörige der engsten familiären Lebensgemeinschaft, also Ehepartner, Eltern minderjähriger Ausländer und minderjährige ledige Kinder. Die Ehe darf auch nicht nach der Flucht erst geschlossen worden sein. Zu den zu berücksichtigenden Aspekten gehören Deutschkenntnisse und der Wille, sich in Beruf und Gesellschaft zu integrieren.
Parallel soll es einen verschärften Kurs gegen die Praxis geben, Minderjährige vorzuschicken. So will Seehofer die Strafe für das Einschleusen von Minderjährigen ohne Eltern auf sechs Monate bis zehn Jahre erhöhen. Gerade Minderjährige für die gefährliche Reise zu motivieren, sei „besonders verwerflich und damit strafschärfend zu berücksichtigen“. Strafbar wäre dann nicht mehr nur das vorsätzliche Schleusen von Minderjährigen, sondern schon jede Handlung, als deren Ergebnis Minderjährige illegal in das Bundesgebiet gelangen. Leitartikel Seite A2