Verdi liefert Kritikern Munition
Die im Grundgesetz verankerte Koalitionsfreiheit erlaubt es den Beschäftigten, sich gewerkschaftlich zu organisieren und für bessere Arbeitsbedingungen zu streiken. Das ist gut so. Nur so ist gewährleistet, dass Tarifverhandlungen nicht zum kollektiven Betteln verkommen, sondern Waffengleichheit zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern herrscht.
Doch Verdi muss sich angesichts der als Warnstreik verniedlichten Komplett-Stilllegung eines ganzen Landes die Frage gefallen lassen, ob sie nicht überzieht. Denn auch wenn die Arbeitgeber bislang noch kein konkretes Angebot vorgelegt haben – was sie am 15. April schleunigst nachholen sollten –, so deutet die Rhetorik ihrer Verbandsvertreter doch auf eine Einigungsbereitschaft hin.
Verdi ruft jedoch seit 2012 bei Bund und Kommunen ritualisiert bereits nach nur einer Tarifrunde zu flächendeckenden Warnstreiks auf. Mit dieser kalkulierten Krawall-Einstellung und überflüssigen Machtdemonstrationen verkompliziert sie die Verhandlungen unnötig und liefert all jenen Kritikern Munition, die deshalb Zwangsschlichtungen oder gar die Beschränkungen des Streikrechts im öffentlichen Dienst fordern. BERICHT FÜR HEUTE VERKEHRSCHAOS . . ., TITELSEITE
Landesvater Laschet
Die Amok-Fahrt von Münster war der erste echte Krisenfall für NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU). Erstmals war er nicht nur als Regierungschef gefragt, der Gesetze auf den Weg bringt und an der Zukunft des Landes arbeitet, sondern auch als einfühlsamer Gesprächspartner für Opfer, Angehörige und Helfer.
Laschet hat seine Rolle als Landesvater in Münster gut ausgefüllt. Er suchte den Kontakt zu den Angehörigen der Opfer mit taktvoller Diskretion und fand glaubwürdige Worte sowie einen angemessen zurückhaltenden Tonfall bei seinem ersten öffentlichen Auftritt am Tag nach der Tat.
Die wichtigste Säule seiner Glaubwürdigkeit als mitfühlender Landesvater ist aber seine Opfer-Politik, weil sie schon vor dem Attentat von Münster erste Konturen bekam. Unter Laschets Führung berief NRW erstmals eine Opferschutzbeauftragte, außerdem kämpft das Land auf Bundesebene seit Monaten für höhere Opfer-Entschädigungen. Für Laschet ist Opferschutz ganz sicher nicht nur eine Pose, sondern auch ein sehr ernstes politisches Projekt. BERICHT NRW WILL GELD FÜR OPFER IN MÜNSTER, TITELSEITE
Achleitner muss gehen
Ob Christian Sewing der richtige Chef für die Deutsche Bank ist, lässt sich nach zwei Tagen nicht beantworten. Die Art und Weise jedoch, wie der Stellvertreter John Cryans dessen Nachfolger wurde, kann man jetzt schon bewerten: Die Bank leidet unter massiver Führungsschwäche. Das gilt auch für Aufsichtsratschef Paul Achleitner.
Sewing mag so gut sein, wie er will – Achleitner und Co. haben sein Standing massiv beschädigt. Ihn als Stellvertreter zu installieren und dann doch erst extern nach einem neuen Chef zu suchen, heißt für Sewing: Du kriegst ein Zückerchen, aber eigentlich glauben wir, dass es Bessere für den Job gibt. Erst wenn von denen keiner will, bist du doch gut genug.
Schlechteren Führungsstil kann man kaum pflegen. Zudem gilt: Alles, was Cryan nicht geschafft hat, fällt genauso auf den Chef-Kontrolleur zurück. Deshalb sollte auch Achleitner gehen. Will die Deutsche Bank sechs Jahre nach dem angeblichen Kulturwandel wirklich einen Neuanfang, muss sie sich endlich auch von einem Aufsichtsrat trennen, unter dem die Bank keinen Schritt nach vorn gemacht hat. BERICHT