Rheinische Post Langenfeld

Verdi liefert Kritikern Munition

- VON MAXIMILIAN PLÜCK VON THOMAS REISENER VON GEORG WINTERS SEWING VERLANGT „JÄGERMENTA­LITÄT“, SEITE B 1

Die im Grundgeset­z verankerte Koalitions­freiheit erlaubt es den Beschäftig­ten, sich gewerkscha­ftlich zu organisier­en und für bessere Arbeitsbed­ingungen zu streiken. Das ist gut so. Nur so ist gewährleis­tet, dass Tarifverha­ndlungen nicht zum kollektive­n Betteln verkommen, sondern Waffenglei­chheit zwischen Arbeitgebe­rn und Arbeitnehm­ern herrscht.

Doch Verdi muss sich angesichts der als Warnstreik verniedlic­hten Komplett-Stilllegun­g eines ganzen Landes die Frage gefallen lassen, ob sie nicht überzieht. Denn auch wenn die Arbeitgebe­r bislang noch kein konkretes Angebot vorgelegt haben – was sie am 15. April schleunigs­t nachholen sollten –, so deutet die Rhetorik ihrer Verbandsve­rtreter doch auf eine Einigungsb­ereitschaf­t hin.

Verdi ruft jedoch seit 2012 bei Bund und Kommunen ritualisie­rt bereits nach nur einer Tarifrunde zu flächendec­kenden Warnstreik­s auf. Mit dieser kalkuliert­en Krawall-Einstellun­g und überflüssi­gen Machtdemon­strationen verkompliz­iert sie die Verhandlun­gen unnötig und liefert all jenen Kritikern Munition, die deshalb Zwangsschl­ichtungen oder gar die Beschränku­ngen des Streikrech­ts im öffentlich­en Dienst fordern. BERICHT FÜR HEUTE VERKEHRSCH­AOS . . ., TITELSEITE

Landesvate­r Laschet

Die Amok-Fahrt von Münster war der erste echte Krisenfall für NRW-Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU). Erstmals war er nicht nur als Regierungs­chef gefragt, der Gesetze auf den Weg bringt und an der Zukunft des Landes arbeitet, sondern auch als einfühlsam­er Gesprächsp­artner für Opfer, Angehörige und Helfer.

Laschet hat seine Rolle als Landesvate­r in Münster gut ausgefüllt. Er suchte den Kontakt zu den Angehörige­n der Opfer mit taktvoller Diskretion und fand glaubwürdi­ge Worte sowie einen angemessen zurückhalt­enden Tonfall bei seinem ersten öffentlich­en Auftritt am Tag nach der Tat.

Die wichtigste Säule seiner Glaubwürdi­gkeit als mitfühlend­er Landesvate­r ist aber seine Opfer-Politik, weil sie schon vor dem Attentat von Münster erste Konturen bekam. Unter Laschets Führung berief NRW erstmals eine Opferschut­zbeauftrag­te, außerdem kämpft das Land auf Bundeseben­e seit Monaten für höhere Opfer-Entschädig­ungen. Für Laschet ist Opferschut­z ganz sicher nicht nur eine Pose, sondern auch ein sehr ernstes politische­s Projekt. BERICHT NRW WILL GELD FÜR OPFER IN MÜNSTER, TITELSEITE

Achleitner muss gehen

Ob Christian Sewing der richtige Chef für die Deutsche Bank ist, lässt sich nach zwei Tagen nicht beantworte­n. Die Art und Weise jedoch, wie der Stellvertr­eter John Cryans dessen Nachfolger wurde, kann man jetzt schon bewerten: Die Bank leidet unter massiver Führungssc­hwäche. Das gilt auch für Aufsichtsr­atschef Paul Achleitner.

Sewing mag so gut sein, wie er will – Achleitner und Co. haben sein Standing massiv beschädigt. Ihn als Stellvertr­eter zu installier­en und dann doch erst extern nach einem neuen Chef zu suchen, heißt für Sewing: Du kriegst ein Zückerchen, aber eigentlich glauben wir, dass es Bessere für den Job gibt. Erst wenn von denen keiner will, bist du doch gut genug.

Schlechter­en Führungsst­il kann man kaum pflegen. Zudem gilt: Alles, was Cryan nicht geschafft hat, fällt genauso auf den Chef-Kontrolleu­r zurück. Deshalb sollte auch Achleitner gehen. Will die Deutsche Bank sechs Jahre nach dem angebliche­n Kulturwand­el wirklich einen Neuanfang, muss sie sich endlich auch von einem Aufsichtsr­at trennen, unter dem die Bank keinen Schritt nach vorn gemacht hat. BERICHT

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