Europa schneller besser machen
Als Herz Europas wird sie bezeichnet. Als Motor der europäischen Integration. Als Kern des historischen Zusammenschlusses. In den Sonntagsreden der Politiker wird die deutsch-französische Freundschaft beschworen und besungen. Auch gestern wieder beim Zusammentreffen von Angela Merkel und Emmanuel Macron.
Es ist ja richtig: Ohne die besondere Partnerschaft der einstigen Feinde wäre eine europäische Integration, wie wir sie heute dankbar erleben dürfen, nie vorstellbar gewesen. Konrad Adenauer und Charles de Gaulle haben mit persönlichem Einsatz und den gegenseitigen Besuchen 1962 (erst die gemeinsame Messe in der Krönungskathedrale von Reims, dann die umjubelte Deutschlandreise des Generals) den Geist des Élysée-Vertrags geprägt, der 1963 geschlossen wurde. Dieser Geist fehlt heute etwas. Paris und Berlin haben es in den vergangenen Jahren in der Schulden-Krise und in der Migrationsdebatte nicht geschafft, die Spaltung der EU in Nord und Süd, Ost und West zu verhindern.
Die Vorschläge von Präsident Macron sind auch deshalb so wichtig, weil sie den Diskurs beleben und Impulse geben. Deutschland muss nun rasch und klar antworten, damit es spätestens bis zur Europawahl im Mai 2019, besser schon zum Jahrestag des Élysée-Vertrags im Januar, konkrete Fortschritte gibt.
Diese müssen dort erfolgen, wo eine stärkere Zusammenarbeit Sinn macht. Stichworte: gemeinsames Asylsystem, Schutz der Außengrenzen, Verteidigungsunion, Terrorbekämpfung, Harmonisierung der Steuersysteme, Abbau von Hemmnissen im Binnenmarkt. Was Europa nicht besser macht, ist ein Finanzsystem, das die Prinzipien des Stabilitätspakts aushöhlt und Haftung und Verantwortung voneinander trennt. Solange der Bundestag die Gelder für den Rettungsschirm (oder einen neu zu gründenden Europäischen Währungsfonds) freigibt, müssen dort die Entscheidungen getroffen werden. Wenn Frankreich und Deutschland Europa neu gründen wollen, müssen sie im Alltag der Menschen ansetzen. Europa erlebbarer machen, Vorteile schaffen. Menschen zusammenführen. Staatspolitische Theorien helfen dabei nicht. 30.000 Gratis-Interrail-Tickets für junge Erwachsene sind dagegen ein gutes Beispiel für Initiativen, die das Beste Europas, die Vielfalt der Kulturen in einem friedlichen Miteinander, spürbar machen.
Die deutsch-französische Partnerschaft braucht eine Auffrischung, wenn deutsche Schüler lieber nach Kanada reisen statt ins Nachbarland. Immer weniger Deutsche lernen Französisch, immer weniger französische Jugendliche lernen Deutsch. Auch das ist ein Thema, an dem man ansetzen kann. BERICHT
Nur ein Lichtblick
Erstmals seit Ausbruch der Flüchtlingskrise haben sich die EU-Regierungen darauf verständigen können, eine relevante Zahl von Flüchtlingen geordnet auf eine Vielzahl von Ländern zu verteilen. Das ist ein Lichtblick. Die Trendwende hin zu einer gemeinschaftlichen, humanitären und gut organisierten Flüchtlingspolitik in Europa ist es aber nicht. Zumal sich das Argument als Illusion erweisen dürfte, man könne mit der legalen Aufnahme von Flüchtlingen die illegale Einwanderung stoppen. Da bedarf es anderer Maßnahmen – mehr Grenzschutz, eine bessere Verfolgung der Schlepper und eine weitreichendere Bekämpfung der Fluchtursachen.
Noch steht ein neues Regelwerk aus, wie die EU mit den weiterhin in großer Zahl illegal einreisenden Flüchtlingen umgeht. Es bedarf dringend einer neuen Vereinbarung, die das alte Dublin-Abkommen ablöst. Solange dies nicht geklärt ist und auch der effiziente Schutz der EU-Außengrenzen nicht gelingt, wird die EU-Kommission von Deutschland und anderen Zufluchtsländern nicht die Abschaffung der Grenzkontrollen verlangen können. BERICHT DEUTSCHLAND NIMMT RUND 10.000 . . ., TITELSEITE