ZIEL: ANERKENNUNG VON ADIPOSITAS ALS CHRONISCHE KRANKHEIT
an ihrem Übergewicht tun. Doch das ist psychologisch der falsche Weg“, sagt die Expertin. „Unsere Forschung zeigt, dass dies nicht hilft und dieses Stigma das Therapieverhalten ändert: Diese Menschen gehen nicht mehr ins Fitnessstudio, machen keinen Sport oder gehen nicht mehr ins Schwimmbad, um sich dieser Diskriminierung nicht mehr auszusetzen.“
In vielen Fällen ist das extreme Übergewicht so schlimm, dass bei Patienten sogar eine Operation nötig ist. „Zunächst wird in Form von Ernährungsberatung, Bewegungstherapie oder mit Medikamenten konservativ behandelt“, sagt Christine Stroh. Sie ist Chirurgin im Adipositaszentrum in Gera. Im deutschen Adipositas-Register werden alle diese Eingriffe vermerkt, die in Deutschland im Schnitt erst bei einem BMI von 49,5 erfolgen. Die häufigsten Operatio-
Claudia Luck-Sikorski nen bei Adipositas sind das Einsetzen eines Schlauchmagens (Sleeve Resektion) und des Magen-Bypasses. Auch die Begleiterkrankungen der mittlerweile 66.000 Patienten werden in dem Register erfasst, ebenso die Operationsmethoden und der Verlauf der weiteren Gewichtsentwicklung. Dadurch können die Mediziner die Behandlung der Patienten verbessern. „So haben wir Ärzte einen guten Vergleich und können auch bei Patienten mit den erhobenen Daten für die Wichtigkeit einer Operation argumentieren“, sagt Stroh, die das Register leitet.
Doch einige Patienten nehmen selbst nach einer Operation nicht ausreichend an Gewicht ab. Hier spielt auch die Psyche erneut eine Rolle. „Das Selbstwertgefühl wird dann zum Risikofaktor. Das Gefühl auch hier „versagt“zu haben, kann Depressionen begünstigen. Manche Depressionen sind wiederum mit der Neigung verbunden, noch mehr zu essen. Das ist ein Teufelskreis, aus dem man schwer wieder alleine rauskommt“, erläutert Luck-Sikorski. Bei vielen Menschen, die unter Adipositas leiden, zieht sich Übergewicht durch die gesamte Biografie. 16 Prozent aller Kinder in Deutschland sind übergewichtig, 6,3 Prozent von ihnen laut Robert-Koch-Institut sogar adipös. „Menschen mit Adipositas waren oft als Kinder bereits übergewichtig. Paradoxerweise richtet sich das Stigma dort eher an die Eltern. Als Erwachsene richtet sich das Stigma dann wieder an diese Menschen selbst, obwohl sie ja als Kinder davon ausgenommen waren“, sagt die Expertin. Laut Studien werden Kinder mit Adipositas deutlich häufiger gehänselt. Die Folgen sind bis ins Erwachsenenalter bemerkbar.
„Betroffene wollen sichDiskriminierung
nicht aussetzen.“
Professorin für Psychische Gesundheit und Psychotherapie