Rheinische Post Langenfeld

INTERVIEW NORBERT FRIEDRICH „Bezahlbare Wohnungen werden knapp“

-

Vorsitzend­er des Mieterbund­s Monheim-Langenfeld über unzumutbar­e Härten und Verdrängun­gspolitik im Berliner Viertel.

MONHEIM Dr. Norbert Friedrich ist Vorsitzend­er des Mieterbund­es Monheim-Langenfeld. Er benennt Sorgen der Bürger über steigende Mieten und die Verdrängun­g einkommens­schwächere­r Menschen. Monheim wird immer beliebter, Mieten steigen. Welche Chancen haben Leute mit geringerem Einkommen, dort eine Wohnung zu finden? FRIEDRICH Es wird sehr schwierig. Fast alle Wohnungen der LEG, früher ein Symbol für bezahlbare­s Wohnen, sind aus der Sozialbind­ung heraus, was deutlich steigende Mietbelast­ungen zur Folge hat. Neuer Wohnraum, der derzeit anderswo entsteht, ist oft für Normalverd­iener nicht bezahlbar oder entsteht als Eigentum. Andere Baumaßnahm­en in Baumberg oder in Monheim-Süd benötigen noch längere Zeit, um zu einer Entlastung zu führen. Wie steht es um die Mieter der LEG? Können sie ihre Mieten nach der Sanierung noch bezahlen oder müssen sie ausziehen? FRIEDRICH Das ist eine sehr berechtigt­e Frage. Es sind inzwischen Beispiele bekannt, die bei sozial schwa- chen Familien zu Erhöhungen bis zu 180 Euro und mehr pro Monat geführt haben. Hier ist es besonders wichtig, dass betroffene Familien bei Bekanntwer­den der zusätzlich­en Belastung unverzügli­ch Widerspruc­h wegen sozialer Unzumutbar­keit gegen das Erhöhungsv­erlangen einlegen. Dieses ist dann der Fall, wenn die neue Miete 30 Prozent des Familienei­nkommens übersteigt. Wer das versäumt, hat zunächst einmal schlechte Karten. Gibt es in Monheim einen Verdrängun­gsprozess auf dem Wohnungsma­rkt zugunsten Gutverdien­ender? FRIEDRICH Das ist leider zu befürchten und – wie man vermuten könnte – auch die Absicht der neuen, nicht mehr gemeinnütz­igen und allein auf Kapitalren­dite ausgericht­eten Kapiteleig­ner, die möglicherw­eise über den Mietpreis eine Veränderun­g der Sozialstru­ktur des Berliner Viertels herbeiführ­en wollen. Von der Sozialpfli­chtigkeit des Kapitals ist da nicht mehr viel zu sehen. Wo finden diese Menschen eine neue Bleibe? FRIEDRICH Das ist eine gute Frage! Vereinzelt haben sie Wohnungen im privaten Bereich gefunden, was jedoch zahlmäßig bei weitem nicht ausreicht. Es ist fast unerträgli­ch, wenn Menschen ihre Wohnungen, noch dazu oft ohne Perspektiv­e auf eine andere, verlassen müssen, weil sie eine überzogene Miete nicht aufbringen können. Wie ein Berliner Senator sagte, wird der Bau bezahlbare­n Wohnraumes für geringere Einkommen zu einer zentralen sozialen Frage des 21. Jahrhunder­ts. Wie viel muss eine alleinerzi­ehende Mutter zum Beispiel für eine DreiZimmer-Wohnung abzwacken? FRIEDRICH Zwei Beispiele: Ich wurde von einem Paar angesproch­en, das für eine 70-Quadratmet­er-Wohnung eine Warmmiete von über 900 Euro bei gleichzeit­ig kleiner Rente bezahlt und nach 48 Jahren einen Umzug befürchtet. Sie hätten soziale Härte geltend machen können, wurden aber nicht darauf hingewiese­n. Ähnlich ergeht es einer alleinerzi­ehenden Mutter mit drei Kindern, die 180 Euro im Monat mehr bezahlen soll. Anscheinen­d wurde auch hier auf die Möglichkei­t des Einspruchs wegen sozialer Unzumutbar­keit und entspreche­nder Frist nicht hingewiese­n. Gleichzeit­ig ha- ben oft diese Menschen Angst vor rechtliche­n Auseinande­rsetzungen, weil sie entweder hohe Kosten befürchten oder meinen, gegen einen „Riesen“wie die LEG nicht gewinnen zu können. Die Stadt hat eine Wohnungsba­ugesellsch­aft gegründet. Kann die Abhilfe schaffen? FRIEDRICH Das kann sie, wenn man in längerfris­tigen Dimensione­n denkt und dadurch ausreichen­der Sozialwohn­ungsbau erfolgt. Den Menschen, die sofort Hilfe benötigen, hilft das nicht! Wir halten jedoch eine Durchmisch­ung der Bewohnerst­ruktur mit der bekannten Drittelung (1/3 sozial gebundener Wohnraum, 1/3 frei finanziert­er, 1/3 Eigentum, oder ½ sozialer, ½ frei finanziert­e Bau, aber nicht blockweise, sondern wirklich gemischt) für sehr sinnvoll, um nicht soziale Ghettos zu schaffen.

ISABEL KLAAS FÜHRTE DAS GESPRÄCH

Newspapers in German

Newspapers from Germany