Moderieren gegen den Hass im Netz
Nur Hass im Netz? Autoren einer Studie haben Leserkommentare analysiert und geben Handlungsempfehlungen.
BERLIN Hass im Netz – wie ernst das Problem auch für Medien ist, zeigt ein Blick auf Leserkommentare bei Nachrichtenwebseiten und Facebook. Viele Nutzer kommentieren nicht mehr mit und überlassen Pöblern das Feld. Doch wie können Redaktionen nicht nur die Flut an Kommentaren bewältigen, sondern die Diskussion verbessern?
Eine Studie der Uni Bremen und Hamburg Media School zeigt: Medien sollten Hassbotschaften und illegale Inhalte nicht nur löschen, sondern sich aktiv in den Diskussionen beteiligen – auch wenn das zeitintensiv ist. Dazu ruft die Landesanstalt für Medien in NRW auch auf, die die Studie in Auftrag gegeben hat. „Für das demokratische Medium Internet ist Hassrede eine Gefahr, wenn die Lauten die Anderen zurückdrängen“, erklärt Direktor Tobias Schmid die Motivation am Dienstag in Berlin.
Tatsächlich ist nur ein Prozent der Nutzer für Hasskommentare verantwortlich. Dies müssen sich auch Medienmacher vor Augen halten, mahnt Professor Stephan Weichert von der Hamburg Media School: „Es entsteht der Eindruck, dass die Journalisten aufgegeben haben, mit den Nutzern zu sprechen.“Mit Leif Kramp von der Universität Bremen haben die Wissenschaftler Diskussionsverläufe bei vier großen Nach- richtenwebseiten (Tagesschau, Deutschlandfunk Kultur und RTL Aktuell und RP Online) analysiert und zehn Handlungsempfehlungen für Journalisten ausgearbeitet.
„Rund zwei Drittel der Kommentare bestehen bei konfliktträchtigen Diskursen aus themenfremdenVerunglimpfungen oder Hetze“, fasst Leif Kramp zusammen. Es gebe wenige, aber dafür schnell erkennbare Negativkommentatoren. „Oft geht es in den Diskussionen gar nicht um die Nachricht, sondern Themen werden gekapert“, ergänztWeichert.
Doch die Kommunikationswis- senschaftler raten weder dazu, die Kommentarbereiche komplett zu schließen, noch Diskussionen auf Facebook zu unterbinden – auch wenn das Image durch Negativkommentare zunächst leidet. Wie die Studie zeigt, können Medien dann Diskussionen wieder einladender gestalten, wenn sie sich aktiv daran beteiligen.„Man muss in den Dialog investieren“, erklärt Kramp. Dass Löschen alleine nicht reicht, sieht auch Medienwächter Tobias Schmid so. Manchmal bekämen die Absender nicht mit, wenn ihre Kommentare für andere ausgeblendet wer- den, da sie für sie noch sichtbar sind. „Die Leute verstehen nicht, warum gelöscht wird und freie Meinungsäußerung auch ihre Grenzen hat.“
Aus diesem Grund will die Medienanstalt nicht nur Journalisten schulen, sondern hat auch die Initiative „Verfolgen statt Löschen“ins Leben gerufen, bei der Medien und Strafverfolgung in NRW enger zusammenarbeiten. 180 Hasskommentare sind schon angezeigt worden. In mehr als 30 Fällen wird ermittelt. Das Signal: Es ist nicht folgenlos, wenn man gedankenlos Kommentare veröffentlicht.