Rheinische Post Langenfeld

Jeder vierte Obdachlose ist eine Frau

- VON KIRSTEN BIALDIGA

Insgesamt sind mehr als 6400 Frauen in NRW wohnungslo­s. Die Gründe sind vielfältig von Jobverlust bis zur Trennung vom Partner. Oft tun die Frauen alles, um ihre Lage zu überspiele­n. Spezielle Hilfsangeb­ote sind rar.

DÜSSELDORF Jeden Morgen ab zwanzig vor acht sitzt sie auf demselben Stein vor dem Bochumer Ruhrstadio­n. Sie wartet, bis ein paar andere obdachlose Frauen kommen, dann gehen sie in die Bahnhofsmi­ssion und zur Frauendiak­onie zum Wäschewasc­hen. Mittags holt sie sich ein Essen in der Suppenküch­e und „ab zwei, drei Uhr ist der Tag dann hin“. Am schlimmste­n sei es sonntags, da wisse man gar nicht wohin. Einer vom VfL Bochum habe mal gefragt, ob sie kostenlos ein Essen wollten. Sie seien aber nicht hingegange­n: „So, wie wir angezogen wa-

„Die Städte und Gemeinden sind mit dem Problem tatsäch

lich überforder­t“

Monika Kleine

Geschäftsf­ührerin des Sozialdien­sts

katholisch­er Frauen, Köln

ren…“Dabei habe sie immer darauf geachtet, nicht verwahrlos­t auszusehen: „Wer mit vielen Taschen ins Café kommt, wird gleich ‘rausgeschm­issen.“Irgendwann habe jemand sie angesproch­en und ihr den Weg zu einer Beratungss­telle gewiesen.

Die Frau, die das erzählt, möchte anonym bleiben. Anonym und unsichtbar. So wie die meisten der mehr als 6400 Frauen in NRW, die nach Angaben des NRW-Sozialmini­steriums ohne Wohnung sind. Jeder vierte Obdachlose in NRW ist eine Frau – Tendenz steigend.„Dass wohnungslo­se Frauen dennoch in der Öffentlich­keit kaum wahrgenomm­en werden, liegt daran, dass sie oft alles unternehme­n, um ihre Wohnungslo­sigkeit nicht zu zeigen“, sagte NRW-Sozialmini­ster Karl-Josef Laumann am Donnerstag bei einer Fachtagung in seinem Ministeriu­m. Wesentlich häufiger als Männer kommen sie vorübergeh­end bei so genannten Bekannten unter, die aber im Gegenzug nicht selten sexuelle Dienstleis­tungen verlangen.

Die Gründe der Wohnungslo­sigkeit sind vielfältig: Jobverlust, Arbeit zu Niedriglöh­nen, Trennung vom Partner und dieWohnung­snot. Bei Marie-Annerose Schmidt ging es ganz schnell. Ihr Arbeitgebe­r stand kurz vor der Pleite und zahlte den Lohn nicht mehr regelmäßig. Sie geriet mit der Miete in Rückstand und

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