Von Berlin aus in die Liebe
„303“ist der deutsche Sommerfilm: ein Paar, ein Wohnmobil und der Süden.
Hans Weingartner gehört nicht zu den Regisseuren, die im Jahrestakt einen neuen Film lancieren. In seinem, bald zwei Dekaden währenden Filmschaffen hat Weingartner bisher gerade vier Spielfilme in die Kinos gebracht. Los ging es 2001 mit „Das weiße Rauschen“, drei Jahre drauf folgte das bisher bekannteste Werk des Österreichers: „Die fetten Jahre sind vorbei“mit Daniel Brühl und Julia Jentsch. Jetzt bringt der 1970 geborene Filmemacher mit „303“ein schwärmerisches Roadmovie ins Kino. Es spielen Mala Emde und Anton Spieker.
Beide sind 24, beide studieren sie in Berlin. Jule ist just durch ihre Biochemie-Prüfung gerasselt, Politikstudent Jan hat das von ihm ersehnte Stipendium nicht erhalten. Und es gibt noch eine Gemeinsamkeit: Beide zieht es in den Süden Europas. Jule möchte zu ihrem Freund, der in Portugal an seiner Doktorarbeit sitzt; Jan endlich in Spanien seinen leiblichen Vater kennen lernen. An einer Raststätte begegnen sich Jan und Jule erstmals, sie bietet ihm einen Platz an in ihrem großen, alten Wohnmobil, einem Mercedes Hymer 303. Schnell gerät man ins Diskutieren, es geht um Selbstmord und die Frage, wie egoistisch so ein Suizid ist. Dass die hitzige Auseinandersetzung Auftakt sein könnte für eine wunderbare Liebesgeschichte, das freilich können die beiden da noch nicht ahnen.
Ein Film wie dieser, der zwar mit manch pittoresker Reise-Impression aufwartet, indes in großem Maße von seinen Dialogen lebt, funktioniert nur, wenn die Schauspieler ins Bild passen. Mala Emde als Jule und Anton Spieker als Jan passen mit ihrer jugendfrischen Verve tatsächlich ganz wunderbar in diesen sommerseligen, diesen lebensgierigen Film. Nach 145 Kinominuten jedenfalls lässt sich für diesen sonnendurchfluteten Liebesfilm schwerlich ein anderes, ein glaubwürdigeres Darstellerduo denken.
Weingartner selbst sagt über seinen neuen Film: „303 ist sozusagen der Anti-Tinder-Film. Statt drei Sekunden Wisch-und-Weg, die langsame Annäherung zweier Seelen“. Tatsächlich gibt es außer wenigen Handy-Telefonaten kaum etwas Digitales in dem Film, nicht mal ein Navigationsgerät. Hans Weingartner gilt als politischer Kopf; man denke an seinen kapitalismuskritischen Film „Die fetten Jahre sind vorbei“, den kulturpessimistischen „Free Rainer“(2007). In den, nur hier und da zu ausformuliert anmutenden Diskussionen zwischen Jule und Jan geht es denn auch immer wieder um Politik; den Gegensatz etwa von Kooperation und Konkurrenz oder darum, inwiefern Charles Darwins Ideen von den Kapitalisten missbraucht wurden.
Auch wenn die Anziehungskraft des Films im angeregten, kaum jemals abebbenden Austausch der Protagonisten mitbegründet liegt, so handelt es sich bei „303“, diesem in Berlin, Brandenburg, Frankreich, Spanien und Portugal eingefangenen Road-Trip, doch vor allem um einen wunderschönen Liebes-, einen so eindringlichen wie romantischen Sommerfilm.
BRD 2018 – Regie: Hans Weingartner, mit Mala Emde, Anton Spieker, 139 Min.