Dem Himmel so nah
Die Kreuzbergkirche in Bonn glänzt in prächtigem Barock, dabei wurde sie von einem Bettelorden verwaltet. Um sie ranken sich viele Geschichten über Napoleons Pferd und Mumien der Servitenmönche.
aber dahinter blickt man auf die Auferstehung. Ich finde, es ist eine gelungene Theologie, die dahinter steckt“, sagt Dietger M. Kuller, Direktor des Zentrums für Internationale Bildung und Kulturaustausch auf dem Kreuzberg. Die Marienbrüder unterhalten ein Studienhaus und ein Sprachinstitut, das den Kreuzberg weltweit bekannt macht. „Es gibt eine ganze Reihe Bischöfe in Afrika und Lateinamerika, die hier Deutsch gelernt haben“, berichtet Kuller.
Um den Kreuzberg ranken sich viele Geschichten. Wenn die Steine der Heiligen Stiege reden könnten, dann würden sie vielleicht bestätigen, dass die abgeplatzte Stelle auf einer Treppenstufe vom Pferd Napoleons stammt. Er wollte angeblich die Treppe hochreiten, doch das Pferd bäumte sich beim Anblick des Kreuzes plötzlich auf.
Vom Pferd des Kölner Kurfürsten Ferdinand, der 1627 den Grundstein für das Kloster legte, erzählt eine andere Legende. Es soll eine Grube an der Stelle gescharrt haben, an der der Hochaltar stehen sollte. Außerdem vergrößerten sich die ursprünglich als kleine Kapelle angelegten Pläne auf wundersame Weise.
Heil- und Wunderkraft wird auch dem Holz der Pietà, der Darstellung Marias als Schmerzensmutter mit dem Leichnam Jesu, zugesprochen, die Ferdinand der Kirche schenkte. Als die Eiche 1609 in Foy-Notre-Dame in der Diözese Lüttich gefällt wurde, entdeckte man nämlich ein zugewachsenes Muttergottesbild des 15. Jahrhunderts.
Als Folge der Französischen Revolution wurden die Mönche aus dem Kloster vertrieben, und die Kirche wurde säkularisiert. Daran erinnert auch die Platte im Mittelgang, die den Eingang zur Gruft verschließt:„Hier
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Nach 1800 war Bonn ein beliebtes Ausflugsziel für Engländer. Ein Tourist soll einem Pater den Finger abgebrochen haben.„Danach hatte er sechsWochen lang Pech und schickte den Finger wieder zurück nach Endenich“, heißt es. Alte Fotos zeigen, wie der Finger in einer Dose neben den zum letzten Gebet gefalteten Händen des Serviten liegt. Seit der letzten Restaurierung in den 1990er Jahren war niemand mehr unten in der Gruft. Serviten aus Innsbruck reisten damals an, um die kreuz und quer stehenden Särge ihrer Mitbrüder würdevoll zu ordnen. „Wir haben den Servitenbrüdern versprochen, dass die Totenruhe nicht mehr gestört wird“, sagt Kuller.
Einer, der jedenWinkel in der Kreuzbergkirche kennt, ist Markus Schuck. „Ich war hier als kleiner Messdiener beim ersten Fernsehgottesdienst dabei“, erinnert er sich. Schon mit 14 Jahren verdiente er sich dann sein Taschengeld als Küster, um seine erste eigene Querflöte zu finanzieren. Heute veranstaltet er in der Kirche Konzerte des Schumannfestes.
Selbst für Menschen, die oft auf dem Kreuzberg sind, verändert sich die Stimmung immer wieder. Das liegt zum Beispiel am Licht, das durch die seitlichen Fenster auf die Heilige Stiege fällt und sie mal rosa, mal graugrün erscheinen lässt. Unter der Stiege verbirgt sich das Heilige Grab, das aus heutiger Sicht wir Jahrmarktkitsch wirkt. DieWächter, die vor dem Leib Jesu stehen, wirken rustikal. In den barocken Glaskugeln schimmert elektrisches Licht statt Kerzen. „Was heute kitschig wirkt, war damals für das Empfinden der Menschen richtig“, sagt Kuller.
Für Markus Schuck ist die ganze Kirche „Architektur gewordene Bibel“. Zum Durchatmen setzt er sich auf eine Bank im zugänglichen Teil des großen Parks und hört dem Gebet der Schwestern in der kleinen Bündniskapelle zu. Wer dem Weg weiter folgt, steht vor einem mächtigen Baum im Zentrum des modernen Kreuzwegs, den die Schönstätter angelegt haben.„Wenn ein Baum so wächst, heißt es auch, dass es ein gesunder Ort ist. Manche Menschen, die sehr sensibel sind, sagen: Der Ort stimmt“, berichtet Kuller.
Auch weniger sensible Menschen werden dem Bonner Hofrat Caspar Oppenhoff dankbar sein, der nach 1809 den Abriss der Kreuzbergkirche verhinderte. Aufwendige Restaurierungsarbeiten lassen die Kirche heute als eins der bedeutendsten Barockbauwerke des Rheinlands erstrahlen. Nur für ein ganz irdisches Bedürfnis hat bisher niemand vorgesorgt: Es gibt keine Toiletten. Auch die Parkplätze werden knapp, wenn sich im Sommer die Brautpaare die Klinke in die Hand geben.
Der Kreuzberg ist kein Museum, sondern ein lebendiger Ort mitten in Bonn, mit Schwesterntrachten auf der Wäscheleine, Kindergruppen im Garten und ökumenischem Pfingstfeuer – auch wenn auf den Uhren die Zeit stillsteht.