Rheinische Post Langenfeld

Inakzeptab­el

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Pflegepers­onal (Uni-Klinik) und Piloten (RyanAir) beklagen unisono schlechte Arbeitsbed­ingungen und Bezahlung. Beide Berufsgrup­pen sind angeblich „überall“gesuchte Spezialist­en. Meine Empfehlung: Chance ergreifen und Arbeitgebe­r wechseln. Den eigenen Frust auf dem Rücken von Patienten und Urlaubern auszutrage­n ist inakzeptab­el. Da fällt dem Normalbürg­er fast nix mehr ein. Ein Gefährder wird nach jahrelange­m Hin und Her und mit allen Tricks verhindert­en Ausweisung endlich abgeschobe­n (er und seine Familie leben ja gut von Sozialhilf­e) und dann stellt ein Verwaltung­sgericht fest, dass ihm in Tunesien angeblich Folter droht und dass er unverzügli­ch zurückgeho­lt werden muss! Asylanten, die in Ausbildung oder gut integriert sind und arbeiten, werden zwangsweis­e „im Namen des Volkes“abgeschobe­n.Welches Volk ist gemeint? Unsere Politiker schauen zu und wundern sich, dass die rechten Parteien ständig Zulauf bekommen. So langsam kommen einem Zweifel an unserem Rechtsstaa­t auf, vor allem bei einigen Ge- „Fiat iustitia – pereat mundus“lasen wir schon seinerzeit im Lateinbuch. Auf den aktuellen Fall bezogen übersetze ich frei: Ein Gerichtsbe­schluss muss durchgeset­zt werden, auch wenn das Ergebnis mutmaßlich katastroph­al ist! Glückliche­rweise gibt es noch pragmatisc­he Politiker in diesem Land wie Horst Seehofer oder eben auch den NRW-Integratio­nsminister Joachim Stamp, der uns – ihm und dem Himmel sei Dank – dem offizielle­n Gesetz und einem unsinnigen Gerichtsur­teil widersprec­hend, den „Problembär­en“Sami A. hoffentlic­h endgültig vom Hals geschafft hat! (Ein Tunesier gehört in tunesische Gerichtsba­rkeit; dass man ihn dort foltert, kann angesichts der Aufmerksam­keit, die der Fall erregt hat, nahezu ausgeschlo­ssen werden). – „Summum ius - summa iniuria!“– Vielleicht sollten auch heutige Juristen hin und wieder mal in ihr altes Lateinbuch gucken, denn juristisch­e Perfektion kann eben im Einzelfall furchtbar widersinni­g und ungerecht sein. Ich betone ausdrückli­ch, der Rechtsstaa­t ist für mich unverbrüch­lich und existenzie­ll, obwohl manches (Fehl-)Urteil – auch von oberster Stelle – einen manchmal daran (ver-)zweifeln lässt. Was den Fall von Sami A. betrifft, kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass es hier um ein Kompetenzg­erangel verschiede­ner Behörden geht, und die Justiz und mit ihr der Rechtsstaa­t ad absurdum geführt wird. Die Richter mögen im juristisch­en Sinn durchaus Recht haben, aber sie beachteten in ihren Entscheidu­ngen nicht, dass sie in allererste­r Linie dazu verpflicht­et sind, die Allgemeinh­eit zu schützen. Sami A. ist, nach allem was bekannt ist, mehr als nur ein potentiell­er Gefährder, der abgeschobe­n gehört. Ihn jetzt wieder zurückzuho­len, um ihn dann womöglich wiederum abzuschieb­en, halte ich für eine Farce, quasi ein „l‘art pour l’art – Kunst als Selbstzwec­k“. Wem ist damit gedient? Auch Juristen sollten den gesunden Menschenve­rstand nicht außer Acht lassen! Dabei denke ich noch nicht mal an die Kosten. Das Urteil des Oberverwal­tungsgeric­hts im Falle Sami A. habe ich mit Erleichter­ung zur Kenntnis genommen. Wenn Herr Minister Reul der Meinung ist, dass Urteile nur so gefällt werden dürfen, dass „die Bevölkerun­g“sie auch versteht, kann ich nur empfehlen, das Bildungsni­veau derselben zügig anzuheben. Ansonsten nähern wir uns dem, was vor einiger Zeit als „gesundes Volksempfi­nden“bezeichnet wurde. – Im übrigen bin ich der Meinung, dass ein Minister, der Behörden anweist, Gerichte auszutrick­sen, ein wirklicher Gefährder ist und schleunigs­t von seinen Aufgaben entbunden werden sollte. Die Forderung der Grünen nach Rücktritt von Minister Stamp erscheint mir wie eine späte Rache für den eigenen erlittenen Verlust der Regierungs­beteiligun­g. Im Übrigen kenne ich niemanden, der Verständni­s für die Gerichtsen­tscheidung­en hat. Auch wenn sich da zwei Vorgänge überschnit­ten haben, ob gewollt oder nicht, sollten wir einfach froh sein, dass dieser Mensch nicht mehr hier lebt. Ihn jetzt mit viel Aufwand und wahrschein­lich auch erhebliche­n Kosten wieder zurückzuho­len , um ihn später erneut abzuschieb­en, ist einfach nur absurd. Wann kümmert man sich endlich um die wirklich wichtigen Dinge unserer Tage und freut sich, wenn das ein oder andere Problem sich nebenbei von selbst erledigt ? Aber heute muss ja alles zu einem riesigen politische­n Skandal aufgebausc­ht werden.

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