EU-Kommissionschef will „ewige“Sommerzeit
Die hohe Zustimmung zur Abschaffung der Zeitumstellung hat die Kommission beeindruckt. Auch Merkel ist für eine einheitliche Zeit.
BERLIN/BRÜSSEL (rtr) Die EU-Kommission will die Sommerzeit in Europa auf Dauer festlegen und die Zeitumstellungen abschaffen. Nachdem sich eine große Mehrheit der Bürger in einer EU-Umfrage dafür ausgesprochen habe, werde das auch gemacht, kündigte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am Freitag im ZDF an. „Millionen haben geantwortet und sind der Auffassung, dass es so sein sollte, dass die Sommerzeit in Zukunft für alle Zeit gilt“, sagte Juncker. „Die Menschen wollen das, wir machen das.“Das Vorhaben braucht aber noch das Ja des EU-Parlaments und der Mehrheit der Mitgliedsstaaten. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) signalisierte Juncker Unterstützung. Wirtschaftsverbände in Deutschland äußerten sich ebenfalls positiv. Die Zeitumstellung in März und Oktober bringe nur Unruhe.
Im Juli und August hatte die Kommission eine Internet-Umfrage gestartet, auf die es 4,6 Millionen Antworten gab. 84 Prozent haben sich dabei laut Kommission gegen die Zeitumstellung ausgesprochen. 4,6 Millionen sind jedoch weniger als ein Prozent der EU-Bevölkerung. Dazu kamen mehr als drei Millionen Antworten allein aus Deutschland. Bis auf Deutschland, Österreich und Luxemburg beteiligten sich in keinem EU-Land mehr als ein Prozent der Einwohner an der Erhebung.
Die Sommerzeit war 1996 für die EU eingeführt worden, vor allem um die unterschiedlichen Regelungen unter den Staaten zu vereinheitlichen. Frühere Argumente für die Umstellung, wie etwa ein geringerer Energieverbrauch, haben sich nie bewahrheitet. Umgekehrt gibt es kaum belastbare Erkenntnisse, ob die Umstellungen gravierende Auswirkungen auf die Gesundheit hat. Auch eine Studie im Auftrag des Bundestags von 2016 ergab, dass die Umstellung auf Sommerzeit weder gesundheitlich, wirtschaftlich oder für den Energieverbrauch positive oder negative Folgen habe.
Rein technisch gesehen ist der Verkehrssektor besonders betroffen, da Flug-, Bahn- oder Schiffsverbindungen auf die im März fehlende beziehungsweise im Oktober zusätzliche Stunde ausgerichtet werden müssen. Zu größeren Problemen hat das nie geführt. EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc soll jetzt die Detailregelungen für die Sommerzeit auf Dauer ausarbeiten.
Bundeskanzlerin Merkel sagte am Rande eines Besuchs in Nigeria, sie freue sich, dass die Kommission das Votum der Bürger ernst nehme. „Wenn man es so gemacht hat, dann sollte daraus auch etwas folgen“, sagte sie in der Hauptstadt Abuja. „Ich persönlich hätte dafür jedenfalls eine sehr hohe Priorität.“Die meisten anderen EU-Staaten haben sich nach Angaben aus der EU-Kommission in der Vergangenheit hier eher bedeckt gehalten. Für eine Regelung wie Juncker sie jetzt vorschlage, hätten sich nur Finnland und Litauen ausgesprochen. Für die nördlichen Staaten ist das längere Tageslicht am Abend attraktiv.
In der deutschen Wirtschaft wurde der Vorschlag ebenfalls eher mit Sympathie aufgenommen: „Die Zeitumstellung hat in viele Arbeitszeitkonzepte und Logistikabläufe Unruhe gebracht – insofern begrüßt die deutsche Wirtschaft die Ankündigung der EU-Kommission“, erklärte die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA). Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) warnte aber vor einer übereilten Umsetzung und verlangte, diese müsse dann auch EU-weit gelten. Insgesamt hielten sich positive und negative Effekte die Waage, sagte Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben.