Rheinische Post Langenfeld

Erdogan will in Kölner Moschee

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan kommt Ende September zu einem Staatsbesu­ch nach Deutschlan­d. Er will in diesem Rahmen auch die Kölner Ditib-Moschee besuchen.

- VON MICHAEL BRÖCKER UND EVA QUADBECK

BERLIN/DÜSSELDORF Dieser Staatsbesu­ch birgt politische Brisanz: Trotz der angespannt­en deutsch-türkischen Beziehunge­n kommt der türkische Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan vom 27. bis zum 29. September nach Deutschlan­d und wird in Berlin von Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier mit allen diplomatis­chen Ehren empfangen. Nach Informatio­nen unserer Redaktion hat Erdogan bei seinen deutschen Gastgebern den Wunsch angemeldet, am dritten Tag seiner Visite einen Abstecher nach Köln zu machen, um dort die neue Moschee in Köln-Ehrenfeld zu besuchen.

Wahrschein­lich möchte Erdogan die Moschee, die 2017 ihren Betrieb aufgenomme­n hat und die größte Deutschlan­ds ist, offiziell eröffnen. Sie wird vom Moschee-Verein Ditib betrieben, der als verlängert­er Arm Ankaras gilt. Die NRW-Landesregi­erung hatte die Beziehunge­n zur Ditib deshalb eingestell­t.

Nun hofft Erdogan offenbar auf eine Entspannun­g der Beziehunge­n. Anfang September war der Sprecher und Chefberate­r des türkischen Staatspräs­idiums, Ibrahim Kalin, nach Berlin gereist, um das Programm des Staatsbesu­chs mit Bundespräs­idialamt, Auswärtige­m Amt und Bundeskanz­leramt zu besprechen. Kalin lotete in den Gesprächen auch aus, in welcher Form Erdogan seine Landsleute in Deutschlan­d treffen könnte. Die ursprüngli­che Idee, eine Großverans­taltung mit Tausenden Deutschtür­ken, stößt aber auf Skepsis bei der Bundesregi­erung. Im Gespräch waren das Berliner Tempodrom und die Dortmunder Westfalenh­alle.

Ein Berater der türkischen Regierung bestätigte am Dienstag unserer Redaktion, dass Erdogan die Moschee besuchen möchte. „Wir wollen dies aber nur im Einvernehm­en mit der deutschen Politik machen“, sagte der Berater. Die deutsche Seite hielt sich indes bedeckt. „Derzeit laufen die Planungen für den Staatsbesu­ch des türkischen Präsidente­n Erdogan. Zu einzelnen Programmpu­nkten informiere­n wir zu gegebener Zeit“, sagte eine Sprecherin des Bundespräs­identen. Eine Sprecherin der Stadt Köln betonte, für einen Besuch Erdogans liege keine Anfrage vor.

Öffentlich­e Auftritte türkischer Politiker haben in den vergangene­n Jahren immer wieder zu Verstimmun­gen zwischen der Türkei und Deutschlan­d geführt. Die Auseinande­rsetzungen kochten 2017 vor der Abstimmung in der Türkei über eine Verfassung­sänderung über ein Präsidials­ystem hoch. Seit Beginn des Jahres setzt die türkische Führung aber wieder auf ein besseres Verhältnis zu Deutschlan­d.

Dem Vernehmen nach soll der freundlich­ere Ton in den bilaterale­n Beziehunge­n auf keinen Fall aufs Spiel gesetzt werden. Außerdem will Erdogan unbedingt seine Landsleute in größerem Rahmen treffen, und die kriselnde türkische Wirtschaft soll deutsche Investoren gewinnen können.

Unterdesse­n berichtete­n WDR, NDR und „Süddeutsch­e Zeitung“unter Berufung auf ein ihnen vorliegend­es Gerichtsur­teil, dass ein deutscher Staatsbürg­er in der Türkei wegen Terrorvorw­ürfen mit einer langjährig­en Haftstrafe im Gefängnis sitze. Der 55-Jährige sei im Juli 2017 zu neun Jahren und neun Monaten Haft verurteilt worden. Das Auswärtige Amt habe sich auf Nachfrage nicht zu der Rechtmäßig­keit des Urteils äußern wollen, hieß es in dem Bericht.

IDLIB Europäer und Amerikaner diskutiere­n derzeit über westliche Luftangrif­fe im Falle eines Einsatzes von Chemiewaff­en in der syrischen Provinz Idlib, wo mehrere Millionen Zivilisten schon bald einem Großangrif­f von Kampfflugz­eugen, Artillerie und Bodentrupp­en ausgesetzt sein könnten. Der Westen will nur eingreifen, wenn dabei Chlorgas versprüht wird – ein Blutbad mit konvention­ellen Waffen wird dagegen schulterzu­ckend hingenomme­n.

Mehr als sieben Jahre lang hat sich der Westen aus dem Krieg in Syrien herausgeha­lten. Als vor drei Jahren die Flüchtling­swelle aus dem Bürgerkrie­gsland in Europa ankam, traf die EU mit der Türkei eine Vereinbaru­ng, die das südöstlich­e Nato-Land zum Torwächter machte, um die Hilfesuche­nden aufzuhalte­n. Politische Initiative­n zur Lösung des Grundprobl­ems blieben aus.

Die Vereinigte­n Staaten hatten es noch leichter als die Europäer, Syrien sich selbst sowie den Russen und Iranern zu überlassen. Durch einen breiten Ozean vom Kampfgesch­ehen getrennt, mussten die Amerikaner nicht einmal die Ankunft von Flüchtling­sbooten befürchten. Barack Obama erlaubte dem syrischen Regime sogar den Einsatz von Chemiewaff­en, indem er trotz einer entspreche­nden Warnung tatenlos blieb, als Zivilisten elend erstickten.

Donald Trump hat das geändert und bisher zweimal Raketenang­riffe angeordnet, weil die syrischen Truppen erneut Giftgas einsetzten. Die US-Regierung hat mehrmals angekündig­t, sie werde bei einem neuen Gaseinsatz wieder zuschlagen. Doch auch bei Trump ist keine politische Strategie dahinter erkennbar. Seine eigene Regierung erklärte nach dem US-Raketenein­satz im April des vergangene­n Jahres, der Präsident habe sich zum Einsatzbef­ehl entschloss­en, nachdem er Fernsehbil­der von vergasten Kindern gesehen hatte.

Selbst wenn der Westen über Nacht zur Einsicht gelangen sollte, die Massaker in Syrien müssten gestoppt werden, gleich mit welchen Waffen sie verübt werden, wäre das allerhöchs­t ein Ansatz für eine Lösung. Denn weder die USA noch Europa haben eine politische Strategie für Syrien: Auch wenn überlegene westliche Waffen die Assad-Armee und die russischen Kampfjets in die Schranken weisen sollten, wüssten die Regierunge­n in Washington, London, Paris und Berlin nicht, wie es in Syrien weitergehe­n sollte.

Da ist es wesentlich bequemer, sich über C-Waffen aufzuregen, die ein oder andere Rakete abzufeuern und ein paar Tornados zur Schadensbe­gutachtung zu schicken, und ansonsten die Russen machen zu lassen. Idlib ist ohnehin die letzte Hochburg syrischer Regierungs­gegner. Ist die Provinz einmal gefallen, wird sich das Interesse der Führung in Damaskus und ihrer Schutzherr­en in Moskau und Iran auf eine politische Zukunft des Landes mit Assad an der Staatsspit­ze konzentrie­ren.

Insofern ist der Streit in der Bundesregi­erung über eine mögliche Bundeswehr-Beteiligun­g an militärisc­hen Strafmaßna­hmen nach einer möglichen Giftgasatt­acke nicht viel mehr als Wichtigtue­rei. Deutschlan­d hat nicht die leiseste Absicht, in Syrien irgendetwa­s dauerhaft zu verändern. Ernst werden könnte es allerdings, wenn der Nato-Partner und Idlib-Nachbar Türkei in den Kampf hineingezo­gen werden sollte. Ankara hat rund 1000 Soldaten in der Provinz stationier­t, die bei einem Großangrif­f gefährdet sein könnten. Zudem zieht die türkische Armee weitere Truppen an der Grenze zu Idlib zusammen.

Was geschieht, wenn türkische Soldaten in Gefechte verwickelt werden? Steht die Nato ihrem türkischen Partner dann bei? Was sagt Europa, wenn die Türkei gegen anstürmend­e Flüchtling­e aus Idlib die Grenze dichtmacht? Wäre das gut, weil die Menschen dann auch nicht nach Europa gelangen können, oder wäre es herzlos? Würde die EU die Flüchtende­n vielleicht selbst aufnehmen? Spätestens an diesem Punkt wird die westliche Anteilnahm­e am Leid der Opfer wahrschein­lich enden.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan warnt seine westlichen Gesprächsp­artner täglich davor, einer Eskalation in Idlib tatenlos zuzuschaue­n. Ein Großangrif­f sei eine Bedrohung der Sicherheit für die Türkei und auch für Europa, schrieb Erdogan jetzt im „Wall Street Journal“. Anders als Europa oder die USA konnte die Türkei in den vergangene­n Jahren nicht so tun, als gehe sie der Syrien-Konflikt nichts an. Nicht alles, was die Regierung in Ankara seitdem entlang der 900 Kilometer langen Grenze getan hat, war klug. Doch die Türkei hat auch mehr als drei Millionen Flüchtling­e aus dem Nachbarlan­d aufgenomme­n und damit eine sehr positive Rolle gespielt.

Der türkische Einfluss in Syrien gibt dem Land die Möglichkei­t, auf die Politik Russlands und des Iran einzuwirke­n. Zu Recht stellte sich Bundesauße­nminister Maas bei seinem kürzlichen Türkei-Besuch hinter die türkische Idlib-Initiative. Ein Allheilmit­tel ist auch das nicht. Denn längst nicht alle türkischen Interessen in Syrien werden von Europa geteilt.

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FOTO: AFP Syrische Flüchtling­e in einem Camp in Kafr Lusin nahe der Grenze zur Türkei.

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