Rheinische Post Langenfeld

Das Herz Burgunds

Dijon bietet nicht nur zahlreiche kulinarisc­he Hochgenüss­e, sondern auch interessan­te historisch­e Einblicke.

- VON JULIA SIEGERS

DIJON Eine kleine Eule weist uns den Weg für einen Rundgang durch die Stadt, mit der wir bisher nicht sehr viel mehr als Senf und bestenfall­s noch Burgunderw­ein verbunden haben. Was wir dabei verpasst haben, wird uns innerhalb einer guten Stunde, die der Spaziergan­g dauert, bewusst. Ausgestatt­et mit einem Info-Heft der Touristen-Informatio­n folgen wir den ins Pflaster eingelasse­nen Eulen-Pfeilen und entdecken in der denkmalges­chützten Altstadt historisch­e Gassen mit gut erhaltenen Fachwerkhä­usern, die wuselige Markthalle aus dem 19. Jahrhunder­t, den prächtigen Palast der Herzöge von Burgund, der seit 1366 immer wieder an- und umgebaut wurde, detailverl­iebte Steinmetzk­unst an Häuserfass­aden aus verschiede­nen Jahrhunder­ten und Stilepoche­n – und natürlich die Eule, Maskottche­n der Stadt und Glücksbrin­ger. Die „Chouette“prangt an der Nordfassad­e der Kirche Notre-Dame und soll Glück bringen, wenn man sie mit der linken Hand streichelt und sich dabei etwas wünscht. Ein Versuch schadet ja nicht …

Nach den Eindrücken am

Boden machen wir uns im „Tour Philippe le Bon“auf den

Weg, 316 Stufen zu erklimmen, um die

Stadt aus 46

Metern Höhe auch von oben bewundern zu können (Reservieru­ng über die Touristen-Informatio­n erforderli­ch, drei € inkl. Führung). Der Aufstieg lohnt, denn so fallen nach den schönen Fassaden auch die bunten Dächer einiger Häuser mit verschiede­nfarbig glasierten Ziegeln ins Auge, die in früheren Zeiten ein Zeichen für den Wohlstand ihrer Bewohner waren.

Und wo sind jetzt die kulinarisc­hen Genüsse? Buchstäbli­ch überall. Den originalen Dijon-Senf bekommt man bei Edmond Fallot (16 Rue de la Chouette, bei der Kathedrale) oder Maille (32 Rue de la Liberté, Fußgängerz­one). „Pain d’épices“, eine Art Honigkuche­n, der als einer der besten Frankreich­s gilt, ist ebenfalls unübersehb­ar und in vielen Geschäften erhältlich. In einem Lokal in Marktnähe gönnen wir uns ein Mittagsmen­ü, das preislich weit günstiger als ein aufwendige­res Essen am Abend ist. Für ca. 15-25 Euro bekommt man Vorspeise, Tagesgeric­ht (Plat du jour) und Dessert nach Wahl, Getränke kosten extra. Ein „boeuf bourgignon“, in Burgunderw­ein geschmorte­s Rindfleisc­h, sollte man schon probieren, wenn man einmal da ist.

So gestärkt gehen wir gespannt am Nachmittag auf eine geführte Segway-Tour, die noch einmal ein neues, grünes Bild der Stadt zeigt: raus aus der Innenstadt und rein in den wunderschö­n angelegten Parc de la Colombière mit schattigen Spazierweg­en, Picknickwi­esen und sogar einem kleinen Tierpark (Buchung über die Touristen-Informatio­n, 25 €, Kinder zwölf bis 16 Jahre zehn €).

Aber auch die Umgebung Dijons bringt Besucher ins Schwärmen. Schließlic­h sind wir im Burgund, dessen vielfältig­e Weinlagen 2015 als Kulturland­schaft in das Weltkultur­erbe der UNESCO aufgenomme­n wurden. Eine geführte Radtour am nächsten Tag durch die Weinlagen der Côte de Nuits mit Weinkenner Ludwig Dagoreau, der seine beiden Vorlieben für Wein und Radfahren in seinem Unternehme­n velo vitamine verbunden hat, gibt Aufschluss, warum.

Einzigarti­ge Boden- und Klimabesch­affenheite­n, über Jahrtausen­de gewachsen, dazu das immense Wissen und individuel­le Handwerk der Winzer, sorgen in logischer Konsequenz für die Entstehung einzigarti­ger Weine im Burgund, wo keine Parzelle der anderen gleicht. Bei mehr als 3000 Winzern, die etwa 20.000 verschiede­ne Weine produziere­n, hat man später die Qual der Wahl. (www.velovitami­ne.fr, ab 35 €/ Person, auf Wunsch mit Weinprobe ab sieben €/Person)

Um sich einen Eindruck von der Geschichte der Weinherste­llung zu verschaffe­n, bietet sich das ehemalige Kloster und spätere Weingut und Schloss Clos de Vougeot an, dessen Gründung auf das Jahr 1110 zurückgeht. Herzstück ist die Kelterei aus dem Jahr 1475, in der auch noch die mächtigen Hebelpress­en für die Trauben aus dieser Zeit zu bewundern sind. Interaktiv­e Bildschirm­e in verschiede­nen Sprachen begleiten Besucher durch die historisch­en, teilweise rekonstrui­erten Gebäude. (www.closdevoug­eot. fr, Erwachsene 7,50 €, Kinder acht bis 16 Jahre 2,50 €)

Fehlt noch Likör und Käse. Beides entsteht wie der Wein ein paar Kilometer südlich von Dijon. „Crème de Cassis“, Likör aus schwarzen Johannisbe­eren, die in dem milden Klima bestens gedeihen, finden wir in Bioqualitä­t auf der kleinen „Ferme Fruirouge“in dem winzigen Weiler Hameau de Conceur bei Nuits-Saint-Georges. Hier schmeckt man weitab von Massenprod­uktion bei verschiede­nen Varianten tatsächlic­h den Unterschie­d, ob die Beeren bei Morgentau oder nach der Mittagshit­ze geerntet wurden. Der beliebte Likör wird gerne mit Weißwein oder dem prickelnde­n Schaumwein Crémant de Bourgogne aufgegosse­n (www.fruirouge.fr).

Bleibt zum Schluss der Käse. Die Käserei Gaugry in Brochon besucht man am besten am frühen Vormittag, um in der gläsernen Produktion noch ein wenig zuschauen zu können, zum Beispiel bei der Herstellun­g des besten Stücks des Hauses, dem Rohmilchkä­se „l’Epoisses“, affiniert mit dem Trestersch­naps „Marc de Bourgogne“. Das jahrhunder­tealte Rezept wird eisern gehütet. Bei einer Verkostung kann man verschiede­ne Spezialitä­ten probieren, die im angrenzend­en Laden erhältlich sind (sechs € pro Person inkl. ein Glas Wein, Besichtigu­ng kostenlos, www.fromagerie­gaugry.fr).

Mit einem Kofferraum voller kulinarisc­her Souvenirs verlassen wir schließlic­h eine Region, die einen lebendigen, herzlichen, weltoffene­n Eindruck hinterläss­t und ihren Besuchern stolz präsentier­t, was sie zu bieten hat. Zum Glück ist es ja nicht allzu weit, um die Vorräte bei Bedarf wieder aufzufülle­n …

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FOTO: OT DIJON/ATELIER D. MOULIN Der Place de la Libération liegt im historisch­en Zentrum der Stadt.
 ?? FOTO: JULIA SIEGERS ?? Am Place François Rude erinnert der alte Brunnen mit dem Winzer beim Keltern an die Zeit, als die Trauben noch mit den Füßen gepresst wurden.
FOTO: JULIA SIEGERS Am Place François Rude erinnert der alte Brunnen mit dem Winzer beim Keltern an die Zeit, als die Trauben noch mit den Füßen gepresst wurden.
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