Was man zu Hambach wissen muss
Der Hambacher Forst wird zum Symbol für den Kampf um die Braunkohle. Tatsächlich ist Braunkohle der größte Klimakiller. Doch ausgerechnet Rot-Grün hat RWE die Abholzung erlaubt.
HAMBACH Die Räumung des Hambacher Forsts geht weiter: Die Polizei löste eine Sitzblockade von Demonstranten auf. Bisher seien 28 von rund 50 Baumhäusern geräumt und 19 davon abgebaut. „Es geht zügig vorwärts“, sagte ein Polizeisprecher. In der Sache aber stehen sich Gegner und Befürworter der Abholzung unversöhnlich gegenüber. Ein Fakten-Check.
Wie schädlich ist Braunkohle?
Sie ist der klimaschädlichste Brennstoff für Kraftwerke. Da Braunkohle später und unter weniger Druck entstanden ist als Steinkohle, wird bei ihrer Verstromung auch mehr Kohlendioxid (CO2) emittiert. Entsprechend sind die Blöcke von RWE die größten CO2-Emittenten in Europa. Bei der Verfeuerung einer Tonne Braunkohle entsteht im Schnitt eine Tonne Kohlendioxid. Bei Steinkohle sind es zehn Prozent weniger, bei Gas fällt nur ein Drittel so viel CO2 an. Kohlendioxid trägt in hoher Konzentration zur Erderwärmung und zum Klimawandel bei.
Wem gehört der Hambacher Forst?
Er war einmal 4000 Hektar groß, unter ihm liegen Millionen Tonnen Braunkohle. Das Land hat den Wald in den 1970er Jahren im Rahmen eines Flächentauschs an RWE abgetreten. 1984 hat der Konzern mit der Förderung der Braunkohle begonnen. Mittlerweile hat RWE nach eigenen Angaben rund 90 Prozent des Waldes gerodet. Nun sind noch 200 Hektar übrig, von denen 101 Hektar in dieser Rodungssaison abgeholzt werden sollen.
Wie ökologisch wertvoll ist der Forst?
Der BUND mahnt: „Wir dürfen nicht zulassen, dass unersetzliche Natur unwiederbringlich zerstört wird.“Naturschützer verweisen auf Jahrhunderte alte Hainbuchen, auf Bechsteinfledermaus und Kammmolch. Laut RWE sind die ältesten Bäume in Hambach rund 200 Jahre alt. Allerdings hat das Land (Bezirksregierung Arnsberg) 2014 aufwendig begutachten lassen, wie wertvoll der Forst insgesamt ist. In dem 375 Seiten langen Zulassungs-Bescheid für 2020 bis 2030 kommt das Land zum Schluss, dass die Abholzung zulässig ist. „Es können erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Naturraumfunktionen ausgeschlossen oder unter Berücksichtigung der Kompensationsmaßnahmen als zulässig angesehen werden.“RWE ist verpflichtet zur Schaffung von Ausgleichsflächen, zur Anpflanzung von meterhohen Bäumen und Umsiedlung von Tieren.
Darf RWE den Forst überhaupt abholzen?
Ja, und es war ausgerechnet die frühere rot-grüne Landesregierung, der die heutige Bundesumweltministerin Svenja Schulze angehörte, die RWE das bestätigte – im Zulassungsbescheid von 2014 und in der Leitentscheidung für den Tagebau Garzweiler II. In einem begleitenden Papier dazu heißt es: „Mit der Leitentscheidung wird festgelegt, dass die Abbaugrenzen des Braunkohlenplans Tagebau Hambach unverändert bleiben.“
Warum wartet RWE nicht auf die Kohlekommission?
Der BUND warnt: „Ohne eine Einigung abzuwarten, will RWE den Hambacher Wald zerstören. Dadurch wird der soziale Friede gestört und die Arbeit der Kommission akut gefährdet.“RWE betont, das eine habe mit dem anderen nichts zu tun hat. Die Kommission berät über den langfristigen Ausstieg. Ronald Pofalla, einer ihrer Vorsitzenden, hat gerade 2035 bis 2038 als Ausstiegsjahr ins Spiel gebracht. RWE will den Forst jetzt roden, damit die Kraftwerke Neurath und Niederaußem in zwei Jahren genug Kohle-Nachschub bekommen.
Können Gerichte die Abholzung stoppen?
Das Oberverwaltungsgericht Münster will in Kürze über einen Antrag des BUND entscheiden. Der sagt, der Hambacher Forst erfülle die Kriterien der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie und dürfe daher als schützenswertes Gebiet nicht abgeholzt werden. Jedoch hat RotGrün in der Zulassung von 2014 genau diese Frage geprüft und war zu einem anderen Ergebnis gekommen. Mit seinem Eil-Antrag war der BUND unterlegen, nun entscheidet das OVG abschließend.
Geht das Licht aus ohne Hambach-Kohle?
Nein. Mit Braunkohle wird zwar 25 Prozent des deutschen Stroms erzeugt. Sie ist nach den erneuerbaren Energien (38 Prozent) der zweitwichtigste Energieträger. Da es genug Strom in Europa gibt, könnten andere Quellen einspringen. Aber: Braunkohle-Strom ist der günstigste Strom. (Das wird sich ändern, wenn Verschmutzungszertifikate teurer werden.) Und so lange es keine Speicher für Ökostrom gibt, braucht man grundlastfähige Kraftwerke, die die Versorgung sichern. Das können Gaskraftwerke sein, von denen gibt es aber nicht genug. Daher ist die Braunkohle besonders gefragt. NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) warnt nun, dass es ab den 20er-Jahren zu erheblicher Unterversorgung in Europa kommen werde, weil dann viele (Atom-)Kraftwerke vom Netz gehen.
Welche wirtschaftliche Bedeutung hat die Braunkohle?
RWE hat 10.000 Mitarbeiter im rheinischen Revier, hinzu kommen die Mitarbeiter bei Zulieferern. In einzelnen Städten spielt Braunkohle eine überragende Rolle, Grevenbroich nennt sich „Energiehauptstadt“. Gegen einen langfristigen Ausstieg spricht das nicht: Der Steinkohle-Ausstieg, 2007 verabredet und Ende 2018 vollzogen, baute sozialverträglich deutlich mehr Arbeitsplätze ab. Allerdings musste der Staat hierfür entsprechend zahlen.
Wie viele Bürger müssen für Braunkohle umgesiedelt werden?
Da Braunkohle im Tagebau gewonnen wird, müssen für die riesigen Schaufelradbagger Wälder, Dörfer und Menschen weichen. Für die Tagebaue im rheinischen Revier wurden über 38.000 Menschen umgesiedelt. Darunter sind 4000, die über 40 Jahre verteilt im Rahmen von Hambach umgesiedelt wurden. In der Regel werden sie von RWE großzügig entschädigt, verlieren aber ihre Heimat.