Auf Sohle sieben
NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) dankt auf seiner letzten Grubenfahrt den Bergleuten für ihren Einsatz. Vater, Ehefrau und Bruder sind mit von der Partie.
BOTTROP Das Gesicht von Kohle schwärzer als bei jedem seiner Begleiter, die weiße Bergmannsmontur angeschmutzt, tritt Armin Laschet vor die Fernsehkameras. Wehmütig sei er, sagt der Ministerpräsident. „Ich möchte danke sagen für das, was auch viele Gastarbeiter hier geleistet haben. Ohne sie wäre das deutsche Wirtschaftswunder nicht möglich gewesen.“
Es ist Laschets letzte Grubenfahrt. Die 250-jährige Ära des Steinkohlenbergbaus im Ruhrgebiet geht am 21. Dezember zu Ende. Dann schließt als letzte Zeche auch Prosper-Haniel in Bottrop. Von einst 600.000 Bergleuten bleiben 600, die noch eine Weile mit Rückbauarbeiten beschäftigt sind. Einen symbolträchtigeren Termin gibt es in diesen Tagen kaum für einen nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten.
Armin Laschet inszeniert ihn als eine Art Familienausflug in 1200 Metern Tiefe, im Schacht auf Sohle Sieben. Er hat seinen 84-jährigen Vater Heinz mitgebracht, einen ehemaligen Steiger, die Familienähnlichkeit ist unverkennbar. Und seine Frau. Und seinen Bruder Remo. „Man kann ja schlecht alleine fahren“, sagt Armin Laschet, außerdem habe es auch die Möglichkeit gegeben, jemanden mitzubringen.
Vater Heinz äußert sein Bedauern darüber, dass die Zeit der Steinkohle nun zu Ende geht, obwohl die Bergbau-Betriebe heutzutage hochtechnologisiert seien. „Ganz anders als noch vor 50 Jahren“, so Heinz Laschet, der sich später vom Bergmann zum Lehrer umschulen ließ. Nachts habe der Vater unter Tage gearbeitet und tags studiert, erinnert sich Laschet. Das habe er erst später richtig zu schätzen gewusst. Seine Frau habe ebenso einen Bezug zum Bergbau, viele Geschichten erzähle der Vater, wenn sie mit ihm zusammen esse. Auch Integrationsstaatssekretärin Serap Güler (CDU) hat heute ihren Vater dabei, ebenfalls ein ehemaliger Bergmann.
Über so viel Familienhistorie geraten die neun Kumpel mit Zuwanderergeschichte, die auch zu Laschets Tross gehören, fast in den Hintergrund. Dabei sind sie es, die eine der wichtigsten Botschaften dieser Grubenfahrt transportieren sollen: „Hier unter Tage waren Solidarität und Zusammenhalt überlebenswichtig“, es sei egal gewesen, woher jemand kam. „Diese Tugenden sollten wir auch für die Zukunft erhalten“, so der Ministerpräsident. Laschet weiß, wovon er spricht. Mit dem Ende der Zechen wächst auch die Gefolgschaft der AfD in Teilen des Ruhrgebiets.
Einer dieser neun Begleiter ist Zalamati Abdelali. Er sei ausgewählt worden, weil er der einzige Marokkaner hier sei, erzählt der gelernte Maschinenschlosser. Sein Vater sei 1964 nach Deutschland gekommen und wollte eigentlich nur für einige Jahre bleiben. Aber dann wurden die Kinder geboren. Er selbst habe sich nie als Gastarbeiter gefühlt, sagt Abdelali, der 46 Jahre alt ist und jetzt in den Vorruhestand geht. Auf seinem Arbeits-Langzeitkonto habe er 273 Schichten angespart.
Zu jenen, die den Rückbau der Stollen abwickeln, zählt Abdelali nicht. Rund eineinhalb Jahre könnten nach dem Ende der Kohleförderung noch vergehen, bis die Schächte verfüllt werden. So lange dauert es, bis alle Kabel entfernt sind und das Grubenwasser auf Umwegen in den Rhein gepumpt werden kann.
Es sei denn, es findet sich noch ein Investor, der 600 bis 700 Millionen Euro investieren will, um Prosper-Haniel in ein Pumpspeicherkraftwerk zu verwandeln. Eine Machbarkeitsstudie gibt es bereits. Wenn es gelänge, Energie in größerem Umfang zu speichern als bisher, wäre unter Umständen auch die Braunkohle als Energieträger schneller verzichtbar, meinen Fachleute.
Vom Ende der Braunkohle jedoch will Laschet heute nichts wissen. „Das ist eine andere Frage.“Den Steinkohlentagebau zu beenden sei eine ökonomische Entscheidung gewesen wegen der immer höheren Subventionen. Und dann schiebt er noch nach: Er habe sehr viel Respekt für jene, die friedlich gegen die Braunkohle demonstrierten.