Krise der Schwellenländer trifft NRW
Die Probleme der Türkei oder Russland sorgen auch für Sorgen bei Henkel, Metro oder Uniper.
DÜSSELDORF Die Globalisierung bringt neue Chancen – dieser Logik folgen die meisten NRW-Konzerne mit Erfolg. Doch die Turbulenzen der Weltwirtschaft provozieren auch Risiken – das spüren eine Reihe prominenter Adressen der NRW-Wirtschaft aktuell deutlich. „Die Krise vieler Schwellenländer führt zu Rückschlägen“, sagt Thomas Hechtfischer, Geschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), „das müssen die Konzerne nun verkraften.“
Dabei müssen die Unternehmen mit zwei Problemen kämpfen: Einerseits schwächelt die Wirtschaft in einer Reihe von Ländern wie Ruland, Argentinien oder der Türkei grundsätzlich – das senkt Umsatz und Gewinne. Andererseits sind die Währungen vieler dieser Länder im Vergleich zum Euroraum und zum Dollar abgestürzt. Viel Geld flüchtet in „sichere Häfen“, auch weil US-Präsident Trump immer neuen Ländern mit Sanktionen droht.ss
Henkel ist mit am deutlichsten von den Turbulenzen betroffen. Russland gehört zu den fünf wichtigsten Absatzmärkten des Dax-Konzerns mit 2500 Mitarbeitern und zehn Standorten für die Produktion, die Türkei gehört zu den zehn wichtigsten Absatzmärkten – insgesamt machen die Düsseldorfer rund 40 Prozent des Umsatzes in Wachstumsländern inklusive China.
Doch alleine in den ersten sechs Monaten dieses Jahres verlor Henkel rund 750 Millionen Euro an Umsatz, weil Währungen gegenüber dem Euroraum abgewertet hatten. Das drückt auch auf die Gewinne, räumte Vorstandschef Hans Van Bylen nun in einem Interview mit der „Wirtschaftswoche“ein: „Die türkische Lira hat um rund 50 Prozent abgewertet. Wir produzieren zwar in der Türkei, aber viele Rohstoffe werden in Dollar bezahlt.“Als Ergebnis würden die Rohstoffe in türkischer Währung viel teurer, doch das lasse sich gegenüber den türkischen Kunden nicht weitergeben, „weil die Kaufkraft einfach nicht da ist“, macht der Henkel-Chef Van Bylen klar.
Nicht viel besser geht es Metro, RWE, Steag und Uniper. Um ein Drittel brach im zweiten Quartal bei Metro der Umsatz in Russland ein – Vorstandschef Olaf Koch sieht darin auch einen Hauptgrund für den Absturz der Aktie. Immerhin machten die russischen Aktivitäten jüngst noch knapp zwölf Prozent des gesamten Geschäftes aus.
RWE betreibt ein großes Kraftwerk in der Türkei. „Wir beobachten die Entwicklung sehr aufmerksam“, sagt Katja van Doren, Finanzvorstand der Sparte RWE Generation, die die Auslandsanlagen steuert. Die Essener Steag hat in der Türkei ein 1,5 Milliarden Dollar teures Kohlekraftwerk aufgebaut, die größte Auslandsinvestition. Zum Glück wurden die Zahlungen für den Strom bis Ende 2019 inklusive des Währungsrisikos durch den türkischen Staat abgesichert. Falls die Lira bis dahin aber im Keller bleibt, wird es ernst.
Der Stromkonzern Uniper betreibt fünf Kraftwerke in Russland. Hans van Bylen Henkel-Chef Doch auch als Ergebnis der Abwertung des Rubels ging der Umsatz mit internationalen Stromaktivitäten um 79 Millionen Euro auf nur noch 527 Millionen Euro im ersten Halbjahr zurück, der operative Gewinn brach um mehr als 50 Prozent ein. Uniper hält trotzdem an der Gewinnprognose fest, weil der hiesige Strompreis in nur einem Jahr um 50 Prozent auf 44 Euro je Megawattstunde stieg. Gleichzeitig könnten die engen Verbindungen von Uniper zu Russland Schwierigkeiten bringen: Uniper ist der Partner des von den USA bekämpften Gaspipelineprojektes Nord Stream 2 – also könnten US-Sanktionen dagegen auch Uniper treffen. Uniper-Chef Klaus Schäfer ist übrigens russischer Honorarkonsul.
Für Urlauber ist die relative Stärke des Euro aber auch interessant. Gerade die Türkei ist noch billiger geworden. Sonderangebote für 300 Euro für eine Woche Urlaub inklusive Flug sind als Last-Minute-Angebote keine Seltenheit. Tui senkt zwar nicht pauschal die Preise, erklärt aber: „Urlauber bekommen mehr für ihr Geld, wenn sie in der Türkei einkaufen oder essen gehen.“
„Die türkische Lira hat um rund 50 Prozent abgewertet“