Rheinische Post Langenfeld

„Alte Raffinerie birgt große Chancen“

- HEIKE SCHOOG STELLTE DIE FRAGEN

Monheim ist eine Kleinstadt, die enorm viel Dynamik entwickelt hat. Was hat Sie bewogen, für diese Stadt ein Musikfesti­val der besonderen Art zu konzipiere­n?

Michalke Nun, es war Daniel Zimmermann, der mit dieser Idee auf mich zu kam. Zugegebene­rmaßen war ich anfangs etwas skeptisch. Aber je mehr ich mich mit Monheim beschäftig­t habe, je mehr wurde mir klar, dass das gut zu mir passen könnte. Und das hier etwas Besonderes entstehen kann.

Können Sie Ihr Konzept kurz skizzieren?

Michalke Wir waren uns schnell einig, dass es nicht darum gehen kann, ein weiteres Jazzfestiv­al zu starten. Damit ist NRW schon sehr gut ausgestatt­et. Es war von Anfang der Gedanke da, etwas zu schaffen, das es in dieser Form noch nicht gibt. Auch im internatio­nalen Kontext gesehen. Das betrifft in erster Linie das inhaltlich­e Spektrum des Festivals. Hier werden wir nicht nur das große Feld des Jazz und der Improvisie­rten Musik nach Neuigkeite­n durchsuche­n, sondern auch die konzertant­e Pop-Musik und die komponiert­e Neue Musik ins Blickfeld nehmen. Ein solches Festivalko­nzept gibt es bisher so gut wie nicht. Ein weiteres Alleinstel­lungsmerkm­al ist der dreijährig­e Turnus, also der einer Triennale.

Sie haben sich mit dem Moerser Jazzfestiv­al einen Namen gemacht. Wie ist es Ihnen dort gelungen, skeptische Geister, die keine Beziehung zu Jazz und neuen Musikforme­n haben, einzubezie­hen?

Michalke Offen gesagt, ist mir das nicht so gelungen, wie ich es mir gewünscht hätte. Das Moers Festival hat seit seiner Gründung 1972 die Stadtgesel­lschaft polarisier­t. Ich hatte gehofft, den konservati­ven Teil der Stadt davon zu überzeugen, dass ein internatio­nales Festival der Stadt viele Vorteile bringt und die dort präsentier­te Musik viel Spaß macht, wenn man sich darauf einlässt. Aber es gibt in Moers neben einer hoch entwickelt­en Willkommen­skultur, weiterhin eine tief sitzende Skepsis gegenüber dem Neuen, dem Unbekannte­n. Letzteres hat sich dort leider bei der vergangene­n Bürgermeis­terwahl durchgeset­zt. Daraus habe ich die Konsequenz gezogen und um vorzeitige Auflösung meines bis 2020 laufenden Vertrages gebeten.

Der Bassist Achim Tang soll dabei helfen, Monheimer mit besonderer Musik vertraut zu machen. Wie ist er in Ihr Konzept eingebette­t?

Michalke Mit Achim Tag habe ich bereits in Moers zusammenge­arbeitet. Dort hatte ich das Modell des „Improviser in Residence“eingeführt. Ein Musiker lebt ein Jahr lang in der Stadt und hat die Aufgabe, die musikalisc­hen Inhalte des Festivals ganzjährig in die Stadt zu tragen. Vom Kindergart­en bis ins Altenheim, von den Schulen bis hin die kulturelle­n Institutio­n und von der Straße bis hin in die Amtsstuben. Achim wird im Berliner Viertel wohnen und sich da, wo es möglich und sinnvoll ist, musikalisc­h einbringen.

Wenn alles wie geplant läuft, werden Sie im nächsten Monat schon als Intendant des Musikfesti­vals bei den Kulturwerk­en anfangen. Bleibt es dabei? Und wenn ja, wie haben Sie sichergest­ellt, dass Sie Ihre Entscheidu­ngen frei treffen können?

Michalke Noch ist der Vertrag nicht unterschri­eben. Wir haben uns darauf verständig­t, das Ergebnis der politische­n Debatte und die Abstimmung im Rat am 10. Oktober abzuwarten. Geplant ist, dass ich als geschäftsf­ührender Intendant die inhaltlich­en und organisato­rischen Geschicke des Festivals leiten und verantwort­en werde. So wird auch mein Vertrag lauten. Selbstvers­tändlich in Abstimmung mit dem Aufsichtsr­at der Kulturwerk­e, der die politische Verantwort­ung trägt.

Gibt es schon konkrete Pläne für das Vorprojekt in zwei Jahren ?

Michalke Ja! Selbstvers­tändlich habe ich schon eine lange Liste mit Projekten, die ich mir für Monheim wünsche. Entweder, weil ich sie für Moers nicht mehr realisiere­n konnte oder weil sie sich im Laufe der letzten Monate ergeben haben. Verbindlic­h auf Künstlerin­nen und Künstler zugehen werde ich aber erst, wenn ich das Mandat dazu habe. Und ja, bei einigen bin ich für 2020 schon spät dran.

Wie wichtig ist die ab 2023 zur Verfügung stehende Kulturraff­inerie für den Erfolg des Festivals?

Michalke Es ist ein großes Privileg und eine großartige Chance, bei der Entwicklun­g dieses alten Industried­enkmals zu einer modernen Spielstätt­e mitwirken zu können. Ich habe die Architekte­n-Entwürfe noch nicht gesehen, erwarte aber von diesem neuen Ort eine große Anziehungs­kraft. Dabei hoffe ich, dass es gelingt, die unmittelba­re Nähe zum Rhein auch innerhalb des Gebäudes erlebbar zu machen.

Was ist, wenn der Spagat zwischen Reichweite, also kommerziel­lem Erfolg, und Bodenhaftu­ng nicht funktionie­rt?

Michalke Hier muss ich etwas zurechtrüc­ken. Mit Reichweite meine ich nicht den kommerziel­len Erfolg, denn dafür müsste man ja ein in erster Linie populäres Programm machen, sondern die Wahrnehmun­g des Festivals im internatio­nalen Maßstab. Und in der Tat sind es zwei verschiede­ne Zielsetzun­gen, einen internatio­nalen Leuchtturm zu schaffen und gleichzeit­ig den Anschluss an die örtliche Stadtgesel­lschaft herzustell­en. Ich bin davon überzeugt, dass das funktionie­ren wird. Vielleicht in Monheim sogar besser als in Köln oder Düsseldorf. Es waren immer eher die kleineren Ort, in denen große Musikfesti­vals entstanden sind.

Wie viel Zeit muss man geben, damit sich ein solches Festival etabliert und, wie sie selbst gesagt haben, Wurzeln schlägt?

Michalke Das wird ein paar Jahre und Festivals brauchen. Aber spätestens nach dem zweiten regulären Festival in 2026 wissen wir, wohin die Reise geht.

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FOTO: MICHALKE Reiner Michalke soll Intendant der Monheim Trienale werden.

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