Amri-Aufklärer misstrauen Regierung
Im Untersuchungsausschuss konnte eine Aufpasserin des Innenministeriums Zeugenaussagen stoppen. Sie hatte aber offenbar selbst mit dem Umfeld des Attentäters zu tun.
BERLIN Der Amri-Untersuchungsausschuss des Bundestages wird von einem schwerwiegenden Interessenkonflikt erschüttert. Die Bundesregierung hatte zum Aufpassen und Intervenieren bei geheimhaltungsbedürftigen Zeugenaussagen ausgerechnet eine frühere Mitarbeiterin des Verfassungsschutzes entsandt, die selbst offenbar mit dem Umfeld des Falles befasst war. Nun steht der Verdacht der vorsätzlichen Verschleierung im Raum. Die Grünen kündigten an, die Frau nun selbst als Zeugin vorzuladen.
„Ich habe mein Vertrauen in den Aufklärungswillen des Bundesinnenministeriums im Fall Amri verloren“, sagte der Vizevorsitzende des Ausschusses, Mahmut Özdemir (SPD), unserer Redaktion. Tatsächlich erscheint das Einwirken der Person, die als Frau H. bekannt wurde, bei früheren Zeugenbefragungen nun in einem anderen Licht. Denn gerade bei der heiklen Frage, wie tief der Verfassungsschutz in den Fall des Weihnachtsmarktattentäters verwickelt war, konnte die Frau als Regierungsvertreterin bestimmte Aussagen von Zeugen verhindern.
Um größtmögliche Unabhängigkeit und Aufklärung zu erreichen, gehen parlamentarische Untersuchungsausschüsse nach der Strafprozessordnung vor. Dort dürfen potenzielle Zeugen natürlich nicht den anderen Befragungen beiwohnen und erst recht nicht auf andere Zeugen in ihrem Sinne einwirken. H. hatte darüber hinaus sogar die Möglichkeit, die vertraulichen Beratungen des Gremiums zu verfolgen. Sosehr Grünen-Politiker Konstantin von Notz begrüßt, dass das Innenministerium nun H. aus dem Ausschuss abgezogen hat, so erschüttert Mahmut Özdemir SPD-Bundestagsabgeordneter
ist er davon, wie es das Ministerium sehenden Auges zu dem „Unfall“kommen lassen konnte. Zudem kritisieren die Abgeordneten das völlig fehlende Unrechtsbewusstsein des Ministeriums. An diesem Donnerstag sei ein Abteilungsleiter geradezu „unverfroren“aufgetreten und habe keinen Fehler eingeräumt.
Für Özdemir ist der Vorgang jedoch klar: „Das Bundesinnenministerium hat dem Untersuchungsausschuss eine Aufpasserin untergejubelt, die wiederholt Zeugen beeinflusst und die Aufklärung im Fall Amri behindert hat.“Er bemängelt, dass das Innenministerium bisher dem Untersuchungsausschuss gegenüber „respektlos und unwürdig“gehandelt habe. Özdemir forderte als Konsequenz das Ministerium auf, „unverzüglich eine vollständige Liste darüber vorzulegen, wo alle anderen Vertreter des Ressorts vorher eingesetzt wurden“. Falls dabei weitere Gewissenskonflikte offenkundig werden, müssten auch diese Personen abgezogen werden.
Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen hatte den Fall Amri wiederholt als „Polizeisachverhalt“dargestellt. Einer seiner Beamter hatte zuletzt im Ausschuss eingeräumt, dass V-Leuten im islamistischen Milieu Fotos von Amri vorgelegt worden waren. Der Verfassungsschutz habe versucht, „näher an ihn heranzurücken“. H. soll in ihrer Tätigkeit beim Verfassungsschutz mit zwei Kontaktpersonen aus dem Umfeld Amris zu tun gehabt haben. Der Tunesier hatte am 19. Dezember 2016 bei einem Attentat auf den Berliner Weihnachtsmarkt zwölf Menschen getötet. Welche Behörden wann und wie versagten, will der Untersuchungsausschuss herausfinden.
Eine Milliarde Euro für Mini-Jobber in der Gastronomie
BERLIN (mar) Mini-Jobber im Gastgewerbe haben im vergangenen Jahr allein knapp eine Milliarde Euro als aufstockende, staatliche Hilfe zum Lebensunterhalt erhalten. Das geht aus Daten der Bundesagentur für Arbeit (BA) hervor, auf die die Linksfraktion hinweist. An geringfügig Beschäftigte im Gastgewerbe ging damit etwa ein Viertel der insgesamt 4,2 Milliarden Euro, mit denen der Staat Mini-Jobber insgesamt 2017 bezuschusst hat.
Die Linksfraktion warnte FDP und Union daher vor einer Erhöhung der 450-Euro-Verdienstgrenze für Mini-Jobber. Auf Antrag der Liberalen soll der Bundestag am heutigen Freitag darüber debattieren. „Auf dem Rücken der Beschäftigten und der Gesellschaft sparen Arbeitgeber Personalkosten, und der Staat subventioniert diese Lohndrückerei auch noch“, sagte Linken-Politikerin Susanne Ferschl.
Auch die Gewerkschaft NGG schlug Alarm. „Minijobs sind gerade im Gastgewerbe eine Armutsfalle“, sagte Guido Zeitler, stellvertretender NGG-Vorsitzender. „Sie reichen nicht zum Leben und sind am Ende ein teures Zuschussgeschäft für den Staat.“FDP und Union argumentieren dagegen, höhere Einkommensgrenzen könnten mehr Beschäftigung schaffen und Einkommen der Betroffenen erhöhen.
„Ich habe mein Vertrauen in den Aufklärungswillen des Innenministeriums verloren“