Kryptische Investments
Stefan Kasthold ist Leiter der Niederlassung Köln der DJE Kapital AG. Im Interview erklärt er, warum Anleger die Finger von Krypto-Währungen lassen sollten.
Krypto-Währungen wie etwa Bitcoin oder Ethereum boomen. Im Netz kursieren Erfolgsgeschichten von Millionengewinnen, wenn man sein Geld in Krypto-Währungen investiert. Lohnt es sich tatsächlich für Anleger, Euro in virtuelles Geld zu tauschen?
KASTHOLD: Wenn etwas zu einfach und zu gut klingt, dann sollte man skeptisch werden. Das ist auch in diesem Fall so. Das virtuelle Geld hat seine Tücken. Das fängt schon damit an, dass die Geldschöpfung einer virtuellen Währung, wie etwa Bitcoin, nicht durch Zentralbanken erfolgt und auch nicht kontrolliert wird.
Bitcoin-Anhänger stellen gerade die fehlende Regulierung als besonderen Vorteil heraus. Zentralbanken, so ihre Argumentation, hätten zuletzt mit ihrer Geldpolitik nur Unheil angerichtet. Eine Währung wie Bitcoin, die nicht zentral kontrolliert wird, sei dagegen resistent gegen Währungskrisen. Schließlich basiere die Geldschöpfung auf unbestechlicher Software und nicht auf der Willkür von Zentralbankern, die ja auch nicht frei von Fehlern sind.
KASTHOLD: Wer sagt denn, dass die Software hinter einer Krypto-Währung fehlerfrei ist? Es gibt beispielsweise bei Bitcoin sogar eine ganze Reihe von Fehlern, die zum Teil im System, zum Teil aber auch in der Art der Anwendung durch die Investoren stecken.
Können Sie Beispiele nennen?
KASTHOLD: Von der technischen Seite her ist die wohl größte Schwäche das Thema Sicherheit. Bitcoins werden in sogenannten Wallets verwaltet. Das sind virtuelle Portemonnaies. Diese sind anonym und werden durch Passwörter gesichert. Das beinhaltet für die Besitzer einer Wallet mehrere Risiken: Vergessen sie Kennwörter oder wissen nicht mehr, wo sie sie notiert haben, gibt es niemanden, den sie anrufen können, um ihr Geld wiederzuerlangen. Das Geld ist plötzlich unerreichbar für seinen Besitzer. Gelingt es einem Kriminellen, eine Wallet zu hacken oder das Passwort zu stehlen, ist das Geld ebenfalls weg.
Bankräuber und Diebe gibt es auch in der realen Welt.
KASTHOLD: Die Chance, einen Cyber-Hacker zu fassen und das Geld zurückzuerlangen, ist für den Besitzer einer KryptoWallet aber gleich null. Denn Klarnamen gibt es in diesem System nicht. Alles ist anonym und verschlüsselt. Das ideale Umfeld für Cyberkriminalität. Und da sind wir schon beim nächsten Problem: Dieses Umfeld lockt alle Arten von dunklen Geschäftemachern, Steuerbetrügern und Kriminellen an. Denn es ist verhältnismäßig einfach, irgendwo auf der Welt reales Geld in eine virtuelle Währung zu tauschen, um es an einem anderen Ort wieder in reales Geld zurückzutauschen. Konstruktionen wie Bitcoin wirken wie ein virtueller Verschiebebahnhof für Schwarzgeld. So ist es kein Geheimnis, dass in den vergangenen Jahren chinesische Devisentransfers teilweise bis zu 90 Prozent der Bitcoin-Währungstransaktionen ausmachten. So konnten Geschäftsleute und Kriminelle ohne staatliche Kontrolle oder Besteuerung in großem Umfang Devisen außer Landes schaffen. Das passt der chinesischen Regierung natürlich nicht. Deshalb geht sie seit einiger Zeit gegen den Handel mit Bitcoins vor.
Als offizielle Begründung für die Bitcoin-Restriktionen nennt China nicht Devisenflucht, sondern den Umweltschutz ...
KASTHOLD: …das ist nur ein weiterer Punkt auf der langen Liste der Probleme. Das „Schürfen“von neuen Bitcoins etwa ist enorm rechenintensiv. Bitcoin-Farmen mit Tausenden von Rechnern verbrauchen enorm viel Strom. Deshalb stehen viele davon in China, wo alte Kohlekraftwerke ihre Energie-Überkapazitäten gerne billig an die Bitcoin-Farmen verkaufen. Ein Großteil der weltweiten virtuellen Geldproduktion erzeugt schwarze, rußige Rauchwolken. Das ist eine bittere Wahrheit. Es geht hier nicht um Peanuts: Die Rechner, die den ganzen Tag nichts anderes tun, als mit viel Rechenaufwand Bitcoins zu produzieren, verbrauchen mittlerweile jährlich rund 40 Terrawattstunden Strom. Das entspricht in etwa dem Stromverbrauch Ungarns.
Man kann die Energie für die Rechnerfarmen umweltschonender gewinnen. In Island zum Beispiel stehen BitcoinFarmen, die nur mit regenerativer Energie betrieben werden.
KASTHOLD: Wenn man bedenkt, dass mit Bitcoins kaum reale Geschäfte abgewickelt werden und nichts Werthaltiges produziert wird, ist auch eine isländische Bitcoin-Farm reine Verschwendung. Die Energie ließe sich sicher sinnvoller einsetzen, als virtuelle Münzen zu erschaffen.
Offiziell anerkannte LandesWährungen wie Dollar oder Euro produzieren ja auch erstmal nichts, sondern dienen nur als Tausch- oder Spekulationsobjekt. Warum nicht auch Bitcoin?
KASTHOLD: Die Software-Systeme aktueller Krypto-Währungen wie Bitcoin sind im Kern zu langsam, um damit in großem Stil Geschäfte rund um den Globus abzuwickeln. Dazu kommt der hohe Energiebedarf, der bei steigendem Geschäftsvolumen exorbitant weiter steigen würde. Die Anonymität der Wallets ist ein weiteres Problem: Besitzrechte, Steuern, juristische Nachvollziehbarkeit, Erbschaftsrecht – da gibt es zu viele offene Fragen, die alle nicht geklärt sind. Ich kann mir kaum vorstellen, dass die Behörden da nicht irgendwann regulatorisch eingreifen. Für Nutzer und potenzielle Anleger ist das ein Risiko. Deshalb werden virtuelle Währungen für Investoren wohl noch eine ganze Weile reine Spekulationsobjekte mit unüberschaubaren Risiken bleiben. Und um Ihre eingangs gestellte Frage damit abschließend zu beantworten: Als seriöses Investment taugen Krypto-Währungen nicht.
Das Gespräch führte Matthias von Arnim.
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