Dialog auf Augenhöhe
Warum die Kirche Anliegen Jugendlicher endlich ernster nehmen muss.
Vor einigen Monaten wollten Tübinger Religionsforscher wissen, wie es um die Religiosität und den Glauben junger Menschen steht – das Ergebnis der Befragung von mehr als 7000 Jugendlichen hat mich überrascht: Zwar sagten nur etwas mehr als 20 Prozent der Jugendlichen, sie seien religiös. Aber fast jeder Zweite von ihnen gab an, gläubig zu sein. Dreiviertel der Jugendlichen erklärten sogar, dass sie regelmäßig beten – nicht nur in Krisensituationen, sondern auch aus Dankbarkeit. Wie kann das sein: Nur jeder Fünfte hält sich für religiös, aber jeder Zweite glaubt an eine höhere Instanz?
Das Wort „religiös“ist für viele der jungen Menschen gleichbedeutend mit der Institution Kirche. Diese finden Jugendliche – auch das ergab die Befragung – zwar zumeist wichtig, weil sie sich für Arme, Obdachlose und Zuwanderer engagiert. Sie fremdeln aber mit der Sprache der Kirche, den moralischen Vorstellungen und mancher Tradition.
Wie kann es uns also gelingen, die jungen Menschen zu erreichen, ihre Sprache zu sprechen, sie in ihrem Glauben zu erreichen? Daran müssen wir als Kirche arbeiten – und zwar dringend. Derzeit geschieht das auf der Welt-Jugendsynode in Rom. Den Dialog auf Augenhöhe braucht es auch bei uns im Erzbistum. Noch habe ich die leise Hoffnung, dass es trotz der spürbaren Distanz nicht zu spät ist für eine gemeinsame Zukunft.
Denn in der Umfrage haben 70 Prozent der Jugendlichen gesagt, es sei wichtig, über den Sinn des Lebens zu reden. Darauf können wir als Kirche aufbauen, finde ich. Denn auch wenn sich die Sprache der jungen Menschen und die der Kirche unterscheiden, bei den Themen gibt es große Schnittmengen.
Der kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki schreibt hier an jedem dritten Samstag im Monat. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de