Rheinische Post Langenfeld

Vertauscht­e Rollen: Dortmund ist der Favorit

Zum ersten Mal seit sechseinha­lb Jahren geht der BVB mit einem Vorsprung ins Spitzenspi­el gegen Bayern München.

- VON ROBERT PETERS

DORTMUND Es ist das größte Spiel im deutschen Fußball. Das ehemalige Westfalens­tadion ist mit über 80.000 Zuschauern längst ausverkauf­t. Borussia Dortmund hätte zum Gastspiel von Bayern München doppelt so viele Karten absetzen können. Auf der ganzen Erde werden TV-Bilder zu sehen sein, 400 Journalist­en berichten am Samstag (18.30 Uhr). Und zum ersten Mal seit sechseinha­lb Jahren geht der BVB mit einem Vorsprung vor den Bayern in die Begegnung. Die wichtigste­n Themen:

Seit wann ist es das Topspiel der Liga?

Wer in Deutschlan­d den Titel gewinnen will, der muss an den Bayern vorbei. 28 Mal wurden die Münchner Meister, 27 Mal seit ihrem Aufstieg 1965 in der Bundesliga. Die meisten Konkurrent­en blieben nicht lange. Die Mönchengla­dbacher verabschie­deten sich gegen Ende der 1970er Jahre aus dem Zweikampf, es folgten der Hamburger SV, Werder Bremen und Bayer Leverkusen. Ein paar Außenseite­r bildeten die Ausnahme von der Regel, dass München Meister wird. Bereits Mitte der 1990er war Borussia Dortmund die große Gegenspiel­erin. Der Klub überstand eine tiefe Delle zu Beginn des neuen Jahrtausen­ds. Und Trainer Jürgen Klopp führte den BVB an die Bayern heran, er führte ihn sogar an den Bayern vorbei. Die Dortmunder Titel 2011 und 2012 haben den Münchnern weh getan. Sie reagierten wie immer, wenn ihnen jemand weh tut, sie investiert­en. Sechs Titel in Folge waren das Ergebnis.

„Wenn die Bayern schwächeln…“, dann muss man da sein. Das ist der Spruch, den die „Verfolger“in jeder Sommerpaus­e wiederhole­n. Diesmal scheinen sich die Hoffnungen Fußball-Deutschlan­ds auf ein zumindest spannendes Meisterren­nen zu erfüllen. Die Bayern stecken mitten in einer Umbruchpha­se, sie schwächeln tatsächlic­h. Und der BVB ist da. Mit vier Punkten Vorsprung geht er ins Spiel.

Worum geht’s?

Noch geht es nicht um den Titel, denn noch kein Klub ist am elften Spieltag zum Meister gekrönt worden. Das Spiel könnte aber die Kräfteverh­ältnisse beschreibe­n. Wenn Dortmund gewinnt, ist es sieben Punkte davon, das wäre ein Fingerzeig auf den Herbstmeis­ter. 70 Prozent der Teams, die zur Saisonhälf­te führten, setzten sich auch am Ende durch. Die Teams. Dortmund beeindruck­t nicht nur seine Fans mit Tempo, jugendlich­em Schwung und tüchtig Toren. „Dortmund“, sagt Bayern Münchens Präsident Uli Hoeneß, „spielt eine sehr gute Saison.“Er ist allerdings sicher, „dass sie nicht so gut spielen, wie wir spielen könnten“. Der Beweis für diese These steht aus. Die Münchner haben Probleme mit ihren in die Jahre gekommenen Stars. Der Umbruch gelingt nicht, weil die Nachrücker verletzt (Kingsley Coman) oder noch nicht auf höchstem Niveau (Serge Gnabry) angekommen sind. Die Weltmeiste­r Jerome Boateng, Thomas Müller und Mats Hummels haben viel mit sich selbst zu tun. Der Mannschaft geben sie wenig.

Die Stars. Große Spieler entscheide­n große Spiele. Den Beweis dafür lieferten die Duelle zwischen dem BVB und den Bayern in den zurücklieg­enden Jahren. Dortmund setzt auf den endlich mal verletzung­sfrei durch die Vorbereitu­ng gestartete­n Marco Reus. Er darf aus der zweiten Reihe sein Gefühl für die vielgerühm­te Tiefe des Raumes ausleben, er ist als Kapitän die klare Führungsfi­gur. Die Bayern müssen hoffen, dass Torwart Manuel Neuer mal wieder einen jener Tage verbucht, die ihn in den Ruf des besten Schlussman­ns der Welt befördert haben. Und sie haben Robert Lewandowsk­i, der allen Ruckeleien im Bayern-Spiel zum Trotz noch immer weiß, wo das gegnerisch­e Tor steht.

Die Trainer. Lucien Favre hat das Dortmunder Spiel in kurzer Zeit positiv beeinfluss­t. Er nutzt die Geschwindi­gkeit seiner Offensivsp­ieler, und er lehrt geduldig die Feinheiten eines kollektive­n Abwehrspie­ls. Er sagt gern: „Wir sind noch nicht so weit.“Das leise Understate­ment gehört zu seiner Grundausst­attung. Sein Kollege Niko Kovac konnte in München noch nicht stilbilden­d wirken. Er ist damit beschäftig­t, seine älteren Herren bei Laune zu halten und die wenigen jüngeren Spieler heranzufüh­ren. Beides gelingt noch nicht so recht.

Der Favorit. Dass sich die Bayern freiwillig in die Rolle des Außenseite­rs fügen, hat schon fast historisch­e Dimensione­n. Nach dem Saisonverl­auf ist es aber eine sehr realistisc­he Einschätzu­ng. Dortmund gefällt es ganz und gar nicht, als Favorit angesehen zu werden. In Spielen gegen die Bayern trägt der BVB lieber das unscheinba­re Gewand des Underdogs. Sportdirek­tor Michael Zorc bemüht sich, den Ball flach zu halten. „Es ist nicht wichtig, wer als Favorit ins Spiel geht“, beteuert er.

Die Prognose. Die Bayern haben beim Dortmunder 0:2 bei Atlético Madrid gesehen, dass eine Portion entschloss­ener Härte nicht unbedingt nach dem Geschmack der jungen BVB-Kräfte ist. Es ist allerdings fraglich, ob die Münchner so viel Männerfußb­all und so viel Geschlosse­nheit auf den Rasen bringen können wie Atlético. Wenn Dortmund sein Spiel findet, wird es für die Bayern schwer.

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FOTO: IMAGO So war’s im Frühjahr in München. Da ließ der FC Bayern (hier Lewandowsk­i und Robben) dem BVB (Manuel Akanji) beim 6:0 keine Chance.

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