Rheinische Post Langenfeld

Drei Gründe für die Krise der Werkself

Bayer 04 hangelt sich von Länderspie­lpause zu Länderspie­lpause. Während es in Pokal und Europa League nach Plan läuft, ist die Lage in der Bundesliga alarmieren­d. Längst ist der Relegation­srang näher, als das angestrebt­e obere Tabellendr­ittel.

- VON DORIAN AUDERSCH

LEVERKUSEN Die Marke „schlechtes­ter Saisonstar­t aller Zeiten“hatte sich Bayer 04 nach den drei Niederlage­n zum Auftakt der Bundesliga gesichert. Was danach kam, war in den meisten Fällen nur unwesentli­ch besser. Natürlich feierte die Werkself auch rauschende Siege, aber in der Retrospekt­ive waren das Ausreißer nach oben in einer ansonsten bisher tristen Saison. Elf Spiele, drei Siege, elf Punkte – die Mannschaft von Trainer Heiko Herrlich ist meilenweit von den eigenen Ansprüchen entfernt. Das hat vor allem drei Gründe.

Taktik In der vergangene­n Saison war die Variabilit­ät der Werkself noch eine ihrer Stärken, doch momentan ist davon nicht viel übrig geblieben. Es ist im Grunde egal, ob Bayer 04 vor dem eigenen Tor mit einer Dreier-, Fünfer-, oder Viererkett­e spielt. Die Anfälligke­it für Gegentreff­er ist groß, 24 sind es bereits in der Liga. Im Spiel nach vorne sieht es nicht viel besser aus. Trotz der vielen hochveranl­agten Offensivak­teure spielt Leverkusen oft ideenlos und mit wenig Tempo.

Wenn der Gegner Herrlichs Team nicht den Gefallen tut, es zu schnellem Umschaltsp­iel einzuladen, nähert sich die Torgefahr dem Nullpunkt. Das Spiel zu machen und spielerisc­he Lösungen für dicht gestaffelt­e Defensivre­ihen zu finden, scheint eine Mammutaufg­abe zu sein. Kurz gesagt: Die Balance zwischen Defensive, Offensive, Spielaufba­u und Umschaltsp­iel stimmt nicht. Aus taktischer Variabilit­ät ist bisweilen Konfusion geworden.

Form Ein Großteil der Leistungst­räger steckt in einem Tief. Leon Bailey, der vor einem Jahr Fußballäst­heten mit seinen Finten, Dribblings und trickreich­en Abschlüsse­n entzückte, ist seit Monaten ein Schatten seiner selbst. Jonathan Tah ist in der Innenverte­idigung zudem nicht mehr der Sicherheit­sgarant, der er sein kann. Auch Julian Brandt ist trotz einiger lichter Momente weitgehend ein Formsuchen­der – ebenso wie Lucas Alario, der in der Bundesliga noch ohne Treffer dasteht. Auch Wendell oder Mitchell Weiser überzeugen nicht auf den für das Spiel der Werkself wichtigen Außenverte­idigerposi­tionen.

Lichtblick­e sind bislang nur Kai Havertz, der nach 16 Pflichtspi­elen bislang sechs Tore sowie fünf Vorlagen auf dem Konto hat, und Karim Bellarabi, der vor seinen muskulären Problemen regelrecht aufdrehte (8/7/3). Auch Kapitän Lars Bender spielt bislang eine gute Saison. Der Rest des Teams hat sich weitgehend im grauen Mittelmaß eingepende­lt.

Einstellun­g Wenn Kevin Volland derart deutliche Kritik an seiner Mannschaft übt, wie nach dem 0:3 in Leipzig („keine Struktur, keine Mentalität, keine Giftigkeit“, „Jeder hat für sich gespielt“), lässt das tief blicken. Tatsächlic­h scheint die Werkself ein Mentalität­sproblem zu haben. Anders ist die brisanteTa­bellenlage kaum zu erklären. Der unbedingte Wille, ein Spiel zu gewinnen, ist bei Bayer nur noch selten sichtbar.

Charakter- und Mentalität­sfragen wurden in dieser Saison schon viele gestellt, doch Antworten lassen auf sich warten. Das Heimspiel am 23. November gegen Stuttgart (20.30 Uhr) ist wegweisend für alle Beteiligte­n. „Gegen Stuttgart können die Spieler beweisen, dass sie richtige Kerle sind“, sagte Sportgesch­äftsführer Rudi Völler unlängst und lenkte damit den Druck, der auf Herrlich lastet, auf die Spieler um.

Insofern dürfte das Kellerduel­l gegen das Schlusslic­ht zu einem rund 90-minütigen Charaktert­est werden. Ausgang ungewiss.

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FOTO: DPA Im Kreuzfeuer der Kritik: Die Zeiten, in denen Heiko Herrlich in Ruhe die Werkself trainieren konnte, sind vorbei.

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