Die drei Probleme des Joe Biden
Der US-Präsident ist mit dem Versprechen angetreten, die Pandemie besser zu bekämpfen als sein Vorgänger. Jetzt trifft Omikron das Land weitgehend unvorbereitet. Und dann sind da noch Wirtschafts- und Sozialpolitik.
Gerade mal drei Wochen ist es her, dass Joe Biden seine Covid-19-Strategie für die Wintermonate präsentierte. Jetzt steht der US-Präsident im weihnachtlich geschmückten State Dining Room des Weißen Hauses und wendet sich erneut an die Bevölkerung: „Wir sollten uns bezüglich Omikron Sorgen machen“, sagt Biden. Es bestehe allerdings kein Grund zur Panik. „Dies ist nicht der März 2020“, beschwichtigt der Präsident. Man habe in den zurückliegenden Monaten gewaltige Fortschritte gemacht. 200 Millionen Amerikaner seien geimpft: „Wir sind vorbereitet. Wir wissen mehr.“
Omikron ist spät, dafür aber mit großer Wucht in den USA angekommen und verbreitet sich rasant. Vor allem in New York City explodieren die Fallzahlen, wo man sich noch mit Schrecken an den letzten Lockdown erinnert. Erste Broadway-Shows wurden inzwischen abgesagt. Das Jahresfinale der Kult-Comedy-Show „Saturday Night Live“fand ohne Publikum statt. „Wir spüren die Omikron-Welle besonders hart, aber wir wissen, dass sie sich bald über das ganze Land ausbreiten wird“, sagte der scheidende New Yorker Bürgermeister Bill de Blasio.
Das Weiße Haus führt aktuell einen Dreifrontenkrieg. Zum einen gegen die Lieferengpässe und eine Rekordinflation, die Biden anfangs noch kleinzureden versuchte. Zum anderen musste er am Wochenende einen Tiefschlag seines Parteifreunds Joe Manchin einstecken. Der Senator aus West Virginia hatte überraschend erklärt, dass er trotz aller Kompromissvorschläge gegen Bidens Sozialreformplan stimmen werde, ein Prestigeprojekt des Präsidenten.
Jetzt also auch noch Omikron, das die Biden-Regierung trotz aller Warnungen offenbar unvorbereitet erwischt hat.
Bislang konzentrierte sich der Präsident vor allem darauf, die Impfquote in den USA nach oben zu treiben, die sich seit Sommer kaum von der Stelle bewegt hat. 61 Prozent der Amerikaner sind vollständig geimpft. Von denen wiederum hat nur jeder Dritte bislang zusätzlich auch eine Booster-Impfung vornehmen lassen. Zu wenig, um die Ausbreitung der neuen Virusvariante zu stoppen und die Kliniken zu entlasten.
Erst letzte Woche packte Joe Biden die rhetorische Keule aus: „Wir erwarten einen Winter mit schwerer Krankheit und Tod“, versuchte er seine Landsleute von der Notwendigkeit einer Impfung inklusive Auffrischung zu überzeugen. Nun, kurz vor Weihnachten, wählte der Präsident aufmunterndere Worte: „Es gibt keine Herausforderung, die zu groß ist für Amerika.“Man sei besser und stärker aus jeder Krise gekommen, „weil wir zusammenstehen als die Vereinigten Staaten von Amerika“– das Wort „vereinigte“betont er dabei bedeutungsschwanger.
Nur einmal erhebt der Präsident deutlich seine Stimme. Die Bevölkerung sei durch „gefährliche Fehlinformationen im Kabelfernsehen und in den sozialen Medien“in die Irre geführt worden – von Unternehmen und Persönlichkeiten, die „Geld verdienen, indem sie Lügen verbreiten und Fehlinformationen zulassen, die ihre eigenen Kunden und ihre eigenen Unterstützer töten können“. Da ist er wieder, der Seitenhieb auf Fox News und Facebook.
Vor ein paar Tagen habe der frühere Präsident Donald Trump verkündet, er habe die Booster-Impfung erhalten. „Vielleicht eines der wenigen Dinge, über die er und ich uns einig sind“, kommentierte Biden. Er weiß, dass er es mit einer zutiefst gespaltenen Nation zu tun hat. Und weil er mit seinen Appellen bei einem großen Teil der Bevölkerung offenbar kein Gehör findet, schwenkt seine Regierung um auf eine neue Strategie.
Um Gefahrenherde schneller zu identifizieren, soll in Zukunft öfter und flächendeckender getestet werden. „Wir müssen mehr testen!“, so Biden im zweiten Teil seiner Ansprache.
Eine halbe Milliarde Corona-Schnelltests sollen der Bevölkerung dafür ab Januar gratis zur Verfügung gestellt werden. Eine Maßnahme, die das Weiße Haus vor wenigen Wochen noch als nicht notwendig erachtet hatte. Schnelltests sind aktuell Mangelware in den USA. Und selbst dort, wo es sie gibt, sind sie mit 25 Dollar deutlich zu teuer für einen Großteil der Amerikaner, die in vielen Fällen noch nicht einmal eine Krankenversicherung besitzen.
Zusätzlich sollen im ganzen Land staatliche Testcenter eingerichtet werden, das erste davon noch in dieser Woche in New York City. Parallel will Biden das Militär mobilisieren, um Ärzteteams, Krankenpfleger, Ausrüstung und medizinisches Gerät in Regionen zu entsenden, die an Kapazitätsgrenzen stoßen. Manche US-Staaten, zum Beispiel Michigan, hatten bereits vor Omikron den Notstand ausgerufen.
Mit einem Hilferuf hatten sich private und staatliche Kliniken in Ohio am vergangenen Wochenende zu Wort gemeldet. In ganzseitigen Zeitungsanzeigen wandten sich die Klinikchefs direkt an die Bevölkerung: „Wir haben jetzt mehr Covid-19-Patienten in unseren Krankenhäusern als je zuvor“, heißt es in der Anzeige: „Und die überwältigende Mehrheit ist ungeimpft. Das ist vermeidbar.“Der Hilferuf endet mit dem klaren Appell: „Sie müssen sich genauso um sich kümmern, wie wir das tun.“
Es ist eine heikle Mission, die der Präsident so kurz vor den Feiertagen zu meistern hat. Joe Biden war mit dem Versprechen angetreten, Amerika sicher durch die Corona-Krise zu führen. Das war das Ticket, das ihm zum Sieg über Donald Trump verholfen hatte. Heute, ein Jahr nach seinem Wahlsieg, kann er unmöglich vor seine Landsleute treten und ihnen sagen, sie dürften zu Weihnachten ihre Familien nicht besuchen.
„Dies ist nicht der März 2020. Wir sind vorbereitet“Joe Biden an seine Landsleute