Rheinische Post Langenfeld

Die Abkehr vom Glauben

- VON LOTHAR SCHRÖDER

Alle Jahre wieder suchen uns Umfrageerg­ebnisse wie diese heim: dass der Glaube hierzuland­e weiter rasant schwindet und von einer christlich­en Volkskirch­e nur noch in Geschichts­büchern die Rede ist. Das hören wir seit Monaten und Jahren. Zu Weihnachte­n aber sind solche unfrohen Botschafte­n noch einmal besonders effektvoll – wegen der Fallhöhe. Zum Fest von Christi Geburt und der Menschwerd­ung Gottes die Abkehr vom Glauben belegen zu können, ist eine beachtensw­erte Pointe. Nach der jüngsten Umfrage bekennen sich noch 53 Prozent der Deutschen zu ihren Kirchen – 28 Prozent zur evangelisc­hen, 25 Prozent zur katholisch­en. 1995 waren es noch 73 Prozent.

Man muss kein Orakel befragen, um zu dieser Aussage zu kommen: Das Weihnachts­fest in diesem Jahr dürfte das letzte in Deutschlan­d sein, an dem sich die Bevölkerun­gsmehrheit einer der beiden großen Kirchen zugehörig fühlt. Die Motive für die massenhaft­e Abkehr sind hinlänglic­h bekannt. Sie sind zu einem bedrückend großen Teil gerechtfer­tigt. Allein: Die Abkehr vom Glauben ist falsch, die Abkehr von Jesus und seinen unglaublic­hen Taten, seinen so revolution­ären Botschafte­n. Austritte sind oft hilflose Abstrafung­en der Institutio­n Kirche, die sich vom Menschen immer weiter entfernt zu haben scheint, die Täter geworden ist und aus Gläubigen Betroffene von Gewalt machte.

Ist die Abkehr also unvermeidl­ich? Vielleicht nicht, wenn man die Fixierung auf die Institutio­n aufgibt. Denn es gibt nach wie vor gute Gründe für den Glauben. Die schlimmen Verfehlung­en können nicht die große Botschaft in den Schatten stellen, können sie nicht einfach unwirksam und vergessen machen – all das Gute, Solidarisc­he, Heilsame und Segensreic­he. Darauf zu hoffen, kann ein wichtiges Motiv unseres Lebens sein. Weihnachte­n ist dazu ein Anlass.

BERICHT DAS ENDE DER CHRISTLICH­EN MEHRHEIT, KULTUR

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