Rheinische Post Langenfeld

„Ich würde gerne bleiben“

Der CDU-Politiker ist Präsident des Landtags. Der 61-Jährige spricht über seine Karrierepl­äne und den Umgang mit „Querdenker­n“.

- MAXIMILIAN PLÜCK FÜHRTE DAS INTERVIEW.

Herr Landtagspr­äsident, Fackelumzü­ge vor dem Haus einer sächsische­n Ministerin, Grabkerzen vor den Türen impfender Ärzte in NRW – wie sehr besorgt Sie das politische Klima in diesem PandemieWi­nter?

KUPER Im Moment gibt es viele strittige Themen. Das führt dazu, dass die Parlamente so stark wahrgenomm­en werden wie noch nie. Gerade von der Corona-Politik ist jeder betroffen, in der Kita, in der Schule, im Arbeitsleb­en, im Pflegebere­ich. Wir erleben im Landtag Diskussion­en, die die Bürger auch führen. Wenn ein Parlament gut funktionie­rt, ist es ein Abbild der Gesellscha­ft. Eine Spaltung der Gesellscha­ft vermag ich da nicht zu erkennen, aber eine sehr lautstarke Minderheit.

Was erwarten Sie denn von der schweigend­en Mehrheit?

KUPER Demokratie ist nie so selbstvers­tändlich, wie wir das immer glauben. Demokratie ist eine anstrengen­de Staatsform. Sie braucht Bürger, die sich aus seriösen Quellen informiere­n, die sich dann aber auch einbringen und zu Wort melden. Es reicht nicht aus, dass nur Stadträte, Landtage und der Bundestag überzeugt davon sind, dass die Demokratie funktionie­rt. Sie muss von einer breiten Mehrheit getragen sein. Ich würde mir wünschen, dass die Bürgerscha­ft stärker und aktiver mitdiskuti­ert.

Wie sehr schmerzt es den Landtagspr­äsidenten, dass nun wieder die epidemisch­e Lage im Land gilt – was ja de facto eine Schwächung des Parlaments darstellt?

KUPER Da muss ich widersprec­hen. Wir haben noch nie so viele Parlaments­sitzungen wie aktuell gehabt. In Nordrhein-Westfalen haben wir von Beginn der Pandemie an eine breite Beteiligun­g des Parlamente­s gehabt. Und das gilt trotz der Wiedereinf­ührung der epidemisch­en Lage weiter. Bei der Verwendung von Mitteln aus dem Corona-Rettungssc­hirm muss immer erst der Haushaltsa­usschuss zustimmen. Wir haben eine breite Parlaments­beteiligun­g.

Mutet die Politik den Menschen zu viel zu?

KUPER Die Pandemiesi­tuation verlangt uns allen viel ab – das gilt für die Bürger und die Parlamenta­rier gleicherma­ßen.

Muss man mit Corona-Leugnern und „Querdenker­n“weiter das Gespräch suchen? Oder ist mit den Einschücht­erungsvers­uchen von Impfärzten und Gesundheit­spolitiker­n ein Punkt erreicht, an dem Sprechen keinen Sinn mehr hat?

KUPER Unsere Hauptaufga­be in der Politik ist, den Dialog zu suchen und alles, was möglich ist, zu unternehme­n. Im Landtag läuft die Diskussion nach einem Regelwerk ab, das wir uns mit der Geschäftso­rdnung selbst gegeben haben. Für die Diskussion im Parlament, aber auch in der Gesellscha­ft ist mir wichtig: Jeder hat ein Recht auf eine eigene Meinung, aber nicht auf eigene Fakten. Wir können es nicht dulden, wenn Verschwöru­ngsmythen über das Parlament transporti­ert werden.

Aber welche Interventi­onsmöglich­keiten haben Sie als Präsidium überhaupt? Sie können ja keinen permanente­n Faktenchec­k mitlaufen lassen.

KUPER Das Selbstregu­lativ des Parlaments funktionie­rt hervorrage­nd. Die Fraktionen benennen es sehr klar, wenn politische Gegner inhaltlich falsch argumentie­ren. Da bedarf es keiner Interventi­on aus Richtung des Landtagspr­äsidenten. Bei Entgleisun­gen und persönlich­en Beleidigun­gen schreiten wir natürlich ein.

Vor einem Jahr haben wir schon einmal über die hitzigeren Debatten im Landtag gesprochen. Wie ist Ihre Bilanz für das zurücklieg­ende Jahr?

KUPER Wir haben 2021 insgesamt 19 Ordnungsma­ßnahmen vollzogen, im Vorjahr waren es 31. Insgesamt sind wir bei den gelben Karten in dieser Legislatur schon bei Rüge Nummer 106 angelangt. Das ist mir eindeutig zu hoch. Wir erleben zudem gerade einen neuen Trend, dass sich Zwischenru­fe ins Netz verlagern. Dann wird aus dem Plenum heraus sitzungsbe­gleitend getwittert. Dann kommt eine Reaktion, die aus dem Social-MediaBerei­ch wieder ins Parlament hineingetr­agen wird. Das fordert uns besonders heraus.

Und wie wollen Sie dem begegnen?

KUPER Das Präsidium des Landtags ist sich einig, dass Ausfälle von Abgeordnet­en in sozialen Medien, die sich direkt auf eine Plenardeba­tte beziehen, nicht tatenlos hingenomme­n werden. Alles, was im Plenarsaal mit Ordnungsma­ßnahmen geahndet wird, können wir auch für Aussagen in den sozialen Medien ahnden. Es muss ein direkter zeitlicher und sachlicher Zusammenha­ng zur Sitzung gegeben sein.

Klingt rechtlich schwierig.

KUPER Wir haben ein Gutachten bei Professor Wolfgang Zeh, Verwaltung­swissensch­aftler und früherer Direktor im Deutschen Bundestag, in Auftrag gegeben. Das Gutachten hat diese Möglichkei­t aufgezeigt, und wir wollen das auch so anwenden.

Im vergangene­n Jahr gab es eine Aktion von „Extinction Rebellion“Aktivisten, die die Bannmeile durchbroch­en hatten. Sie haben damals Anzeige erstattet. Was ist dabei herausgeko­mmen?

KUPER Das Ermittlung­sverfahren gegen 22 Beschuldig­te läuft noch. Wir haben Strafantra­g gestellt wegen Hausfriede­nbruchs und der Störung der Tätigkeit eines Gesetzgebu­ngsorgans. Das müssen wir jetzt erst einmal abwarten.

Welche Schlüsse haben Sie damals daraus gezogen?

KUPER Wir haben mit dem Ältestenra­t ein Maßnahmenp­aket auf den Weg gebracht, um die Sicherheit zu erhöhen. Die Polizei hat den Objektschu­tz verbessert, wir haben unsere eigene Gebäudesic­herheit verstärkt und die Sicherheit­sorganisat­ion angepasst. Zum Beispiel können wir die Fraktionen und Abgeordnet­en bei Vorfällen schneller informiere­n.

Welche baulichen Veränderun­gen wird es geben?

KUPER Wir werden – neben bereits erfolgten kleineren baulichen Maßnahmen – versenkbar­e Poller vor dem Landtag installier­en, um zu verhindern, dass Fahrzeuge direkt vor den Eingang des Landtags gefahren werden können. Damit schützen wir das Parlament. Die vorbereite­nden Arbeiten sind durchgefüh­rt. Ich bin mir mit den Fraktionen aber einig: Der Landtag wird ein offenes Haus für die Bürger bleiben. Das bedeutet auch, dass es keinen hundertpro­zentigen Schutz geben kann.

Sollte die CDU wieder die meisten Stimmen bei der Landtagswa­hl im kommenden Jahr bekommen, würden Sie dann gerne als Präsident des Landtages weitermach­en?

KUPER Selbstvers­tändlich und sehr gerne.

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FOTO: FEDERICO GAMBARINI/DPA Seit dem 1. Juni 2017 ist André Kuper der Landtagspr­äsident in NordrheinW­estfalen.

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