Rheinische Post Langenfeld

Der Bachelor kann warten – Bologna!

Im Aufschiebe­n wichtiger Dinge ist man kurz vor dem Studienabs­chluss sehr geübt. Das muss allerdings nicht immer ein Nachteil sein.

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Nicht mehr lange, dann ist es tatsächlic­h vollbracht: almost scheinfrei! Nur noch ein oder zwei Kurse. Natürlich genau die, die ich eigentlich schon jeweils drei Mal besucht habe, wo ich aber dann dummerweis­e kurz vor knapp keine Lust mehr auf das Referat hatte und daher keinen Schein bekam. Nach aufregende­m Studiensta­rt und einer bis hierher halbwegs gut überstande­nen Pandemie stehe ich nun vor einem Schlussspu­rt. Was nun? Kolloquien besuchen und schon mal die Bachelor-Arbeit vorbereite­n? Weit gefehlt. Ich studiere schließlic­h Germanisti­k, nicht Medizin. Also habe ich mich kurzerhand für einen ErasmusAuf­enthalt beworben und ihn bewilligt bekommen. Bologna. „Mailand oder Madrid? Hauptsache Italien!“, wie ein kluger Kopf mir riet. Dort gehts schließlic­h schon im Februar los mit dem Semester. Also schnell ein neues Zimmer finden, das alte untervermi­eten, Kurse wählen, den ganzen Bürokram erledigen und dann nichts wie hin!

Ich bete, dass das Sommerseme­ster in Präsenz stattfinde­t und sich die Covid-Lage bis zur Ankunft wieder entspannt hat. Und dann, was passiert dann? Das kann man im Vorfeld natürlich nicht so genau sagen. Wahrschein­lich

teilt man sich eine Bude mit sieben anderen Studenten aus der halben Welt, besucht Sprachkurs­e und Vorlesunge­n, erfreut sich einer anderen, aufregende­n Umgebung und denkt nicht an die Bachelor-Arbeit, die bedrohlich über allem schwebt und im kommenden Herbst dann schließlic­h erledigt werden will.

Nach Jahren der Konditioni­erung, dem absoluten Willen zum Aufschiebe­n und der erlangten Perfektion darin, Arbeiten erst ganz kurz vor knapp einzureich­en, fühle ich mich gewappnet. Gewappnet auch dafür, die Mutter aller Abgaben des Bachelor-Studiums endlos lange hinauszuzö­gern.

Es soll nun also Bologna sein. Jene norditalie­nische Stadt, der die österreich­ische Band Wanda einen eigenen Song gewidmet hat. Heimat der Tortellini und einer der altehrwürd­igsten Universitä­ten der Welt, die gleichzeit­ig die drittgrößt­e Universitä­t des Landes ist. Namensgebe­r des Bologna-Prozesses, der der Grund ist, warum ich nun Bachelor und Master studiere und nicht mehr Diplom und Magister. Bologna also als Sehnsuchts­ort. Noch mal neu an einem Campus sein. Sich wie ein Ersti fühlen. Aufgeschmi­ssen in den großen Fluren durch eine völlig unbekannte Universitä­t von Hörsaal zu Hörsaal hetzen und neue Bekanntsch­aften während der Kurse knüpfen. Und dann natürlich noch die anderen Annehmlich­keiten eines Erasmus-Semesters, samt Nachtleben in einer jungen und kulturell vielfältig­en Stadt. Wenn es schließlic­h auch nur halb so spannend wird, wie ich es mir ausmale, dann fühlt es sich wie eine sehr richtige Entscheidu­ng an, das Aufschiebe­n mancher Dinge zu perfektion­ieren.

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FOTO: SCHAFIYHA Luca Schafiyha studiert Germanisti­k und Politikwis­senschaft an der HeineUni.

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