Für Flüchtlingskinder fehlen Kitaplätze
Die Einrichtungen in NRW stehen unter Druck: Es gibt weiter Einschränkungen durch Corona, und es fehlt Personal für die Betreuung. Das Land hofft auf Hilfe durch die Geflüchteten selbst. Auch bei deren Registrierung hakt es.
DÜSSELDORF In Nordrhein-Westfalen sind inzwischen mehr als 130.000 Geflüchtete aus der Ukraine angekommen. Die weitaus meisten von ihnen haben in den kommunalen Unterkünften der Städte und Gemeinden oder privat Zuflucht gefunden: Mehr als 128.000 Personen waren es laut der Statistik des Landes bis 24. April. Mehr als 3000 Menschen leben jetzt in Landeseinrichtungen. Die größten Gruppen der Vertriebenen sind Frauen, alte Menschen – und viele Kinder.
Das stellt die Kommunen vor die nächste Herausforderung. „Für die Zukunft brauchen wir mehr denn je pädagogische Fachkräfte, vor allem das Personal in den Kitas fährt seit Jahren am Limit. Hier müssen wir dringend besser werden, und das möglichst schnell“, sagte der Präsident des nordrhein-westfälischen Städte- und Gemeindebundes, Eckhard Ruthemeyer, unserer Redaktion. Einspringen könnten Pädagogen aus den Reihen der Geflohenen selbst: „Viele sind gut qualifiziert und könnten sofort helfen, wenn ihre Kinder betreut sind. Dafür brauchen wir nicht zuletzt schlanke Anerkennungsverfahren.“
Es werde zurzeit geprüft, „wie die Ukrainerinnen und Ukrainer selbst mit in die frühkindliche Bildungsund Betreuungsarbeit eingebunden werden können“, hieß es dazu aus dem NRW-Flüchtlingsministerium. Wie groß der Bedarf an Kitaplätzen noch werden wird, lasse sich wegen der„dynamischen Lage“nicht beziffern. Außerdem führe Corona weiter zu Einschränkungen; dazu komme der landesweite Fachkräftemangel. Fazit: „Die Aufnahme zusätzlicher Kinder im Kitasystem gestaltet sich dadurch schwierig.“
Um die Lage zu entspannen, finanziert die Landesregierung jetzt Brückenprojekte, etwa Eltern-Kindund Spielgruppen, die vorrangig und speziell für ukrainische Kinder eingerichtet und ausgebaut werden. Anstoßen müssten das die Gemeinden. Mit Geld vom Land sollen Kitas außerdem Plätze aufstocken oder neue Gruppen einrichten können. NRW-Flüchtlingsminister Joachim Stamp (FDP) erneuerte die Zusage, dass das Land einspringen werde, sollten die bereitgestellten Mittel des Bundes in Höhe von etwa 430 Millionen Euro nicht ausreichen, um Kommunen vor finanzieller Schieflage zu bewahren. Auf dieses Versprechen setze man, sagte Helmut Dedy, Geschäftsführer des Städtetages NRW.„Denn es geht auch um Vorhaltekosten für Reservekapazitäten, zum Beispiel für angemietete Hallen und Container sowie um Kita- und Schulplätze. Die sind in den Zahlungen bisher nicht eingepreist.“
Abgesehen davon berichtete er von ersten positiven Anzeichen der Integration: Kinder gingen zur Schule, erste Arbeitsverträge würden unterschrieben. „Damit das noch schneller geht, müssen Berufsausbildungen und Qualifikationen unbürokratisch anerkannt werden.“
Ein Nadelöhr für eine vernünftige Ankunft der Geflüchteten bleibt ihre Registrierung. Und die stockt vor allem, weil es an den elektronischen Geräten dafür fehlt: den sogenannten Pik-Stationen. „Leider hat der Bund Probleme, die Geräte für die Registrierung auf demWeltmarkt zu bekommen. Aber dafür können wir hier in NRW nichts“, betonte NRWFlüchtlingsminister Stamp.
Das Land hat in seinen eigenen Unterkünften und durch inzwischen sechs mobile Registrierungsteams, die mit eigenen Pik-Stationen zuletzt in Düsseldorf, Essen, Bielefeld, Dortmund, im Rhein-Sieg-Kreis und im Kreis Lippe im Einsatz waren, bis 27. April rund 20.500 Menschen erfasst. Dazu aber, wie weit die Ausländerbehörden in den Städten und Kreisen mit ihren eigenen Möglichkeiten bislang gekommen seien, lägen„dem Ministerium derzeit keine validen Daten vor“, hieß es aus dem Flüchtlingsressort.
Zuletzt hatte der nordrhein-westfälische Landkreistag wegen der Abläufe Alarm geschlagen. In den meisten NRW-Kreisen gebe es nur eine einzige Pik-Station, ein Vorgang dauere oft länger als 30 Minuten, fast täglich komme es zu Aussetzern und Störungen bei der IT des Bundes. „Bund und Land müssen schnellstmöglich weitere mobile Teams für die Registrierung in die Kommunen schicken“, forderte der Gütersloher Landrat Sven-Georg Adenauer.