Der Triumph der Ölstaaten
Der Ukraine-Krieg macht Rohstoffe teurer – und der Westen bettelt am Golf um höhere Fördermengen. Die aber wird es vorerst nicht geben. Saudi-Arabien und die Emirate sehen keinen Grund für ein Entgegenkommen.
Die arabischen Ölstaaten kosten es aus, dass der Westen um Preissenkungen bettelt. Noch im vorigen Herbst seien Ölproduzenten bei der Klimakonferenz von Glasgow wie ungebetene Gäste behandelt worden – jetzt würden sie plötzlich wie „Superhelden“gefeiert, sagt Suhail al-Masroui, Ölminister der Vereinigten Arabischen Emirate. „So läuft das nicht“, schickte Masroui kürzlich beim Energieforum der USDenkfabrik Atlantic
Council in Dubai als Warnung an denWesten hinterher.
Die Ölstaaten sehen insbesondere wegen ihrer politischen Probleme mit den USA keinen Grund, dem Westen entgegenzukommen. Sie lehnen die Bitte um eine höhere Ölförderung als Mittel gegen den Preisanstieg infolge des UkraineKrieges und der westlichen Sanktionen gegen Russland ab. Diese Weigerung stößt wiederum bei Politikern in Washington auf scharfe Kritik. Politiker aus Präsident Joes Bidens Demokratischer Partei riefen dasWeiße Haus kürzlich zu einem härteren Kurs gegenüber Saudi-Arabien auf.
Auch die enge Zusammenarbeit mit Moskau in der Gruppe Opec plus aus Mitgliedern des Ölkartells und wichtigen Partnerländern wollen Länder wie die Emirate und Saudi-Arabien nicht aufgeben. Die Vereinigten Staaten und Europa wollen Russland wegen des Angriffs auf die Ukraine international isolieren. Doch Masroui stellte im US-Sender CNBC klar, Russland werde„immer“ein Mitglied von Opec plus bleiben. Masrouis Kollege aus Saudi-Arabien, Prinz Abdulasis bin Salman al-Saud, sieht das genauso: Bei Opec plus bleibe „die Politik vor der Tür“, sagte er.
Deshalb wird es bis auf Weiteres keine zusätzliche Ölförderung in großen Mengen geben. Im Kreis der Opecplus-Staaten entschieden Araber und Russen, bei den Fördermengen für Mai keine grundlegende Veränderung vorzunehmen. Sie bleiben bei ihrem Plan, die Öl-Menge jeden Monat um lediglich etwa 400.000 Barrel (je 159 Liter) pro Tag hochzufahren, so wie sie das seit dem vergangenen Sommer tun.
Diese vorsichtige Erhöhung für die Zeit der nachlassenden Pandemie reicht nicht, um den drastischen Preisanstieg wegen des Ukraine-Krieges und der Russland-Sanktionen zu dämpfen. Die USA konterten die Zurückhaltung der Ölproduzenten mit der Freigabe von mehr als 180 Millionen Barrel Öl, die zum Herbst aus den strategischen Lagerbeständen in die Raffinerien und an die Zapfsäulen des Landes kommen sollen.
Arabische Politiker wie Masroui argumentieren, dass die Ölförderung nicht von jetzt auf gleich wesentlich gesteigert werden könne. Sie verweisen auf nachlassende Investitionen im Ölsektor in den vergangenen Jahren und fühlen sich in ihrer Ansicht bestätigt, dass Öl und Gas beim Übergang zu einer klimafreundlicheren Energiepolitik dringend gebraucht werden. Der britische Premierminister Boris Johnson reiste im März in die Emirate und nach Saudi-Arabien, um die dortigen Herrscherhäuser zu einer Steigerung der Ölförderung zu bewegen. Masroui machte unmissverständlich klar, dass sich der Westen solche Missionen künftig schenken kann. Das Ausland solle den arabischen Ölproduzenten nicht sagen „Tu dies oder tu das“, sagte der Minister in Dubai:„Wir sind hier die Experten, und wir machen das schon sehr lange.“
Auch für Überlegungen, russisches Öl zu boykottieren, haben die Araber kein Verständnis. In der EU wird derzeit über einen Ausstieg aus russischen Importen diskutiert, die bisher rund ein Viertel der europäischen Gesamteinfuhren des Rohstoffs ausmachen; die Pläne kommen voran, seit sich auch eine Kursänderung der Bundesregierung abzeichnet (siehe Wirtschaft). Die britische „Times“zitierte jüngst den stellvertretenden EU-Kommissionspräsidenten Valdis Dombrovskis mit den Worten, zu den Überlegungen in der Europäischen Union gehöre ein stufenweises Absenken der Ölimporte. Einen konkreten Zeitplan gibt es aber noch nicht.
Aus Sicht arabischer Ölförderer sind solche Pläne realitätsfern. Russland liefere rund zehn Millionen Barrel pro Tag, etwa zehn Prozent der weltweiten Fördermenge, sagte der saudische Ölminister Abdulasis bin Salman. Masroui sekundierte, indem er die Frage stellte, wo diese zehn Millionen Barrel herkommen sollten, wenn Russland als Lieferant ausgeschlossen werde. Die Golfstaaten lehnen die westlichen Forderungen nicht nur ab, weil sie an den hohen Preisen verdienen und ihre Zusammenarbeit mit Russland schätzen. Sie wollen politischen Druck ausüben, besonders auf die USA.
Im März griffen die iranisch unterstützten Huthi-Rebellen im Jemen eine Öleinrichtung nahe der Formel-1-Strecke im saudischen Dschidda mit Raketen und Drohnen an. Zuvor hatten die Huthis die Hauptstadt der Emirate, Abu Dhabi, beschossen. Saudis und Emiratis beklagen sich über mangelnden Beistand aus Washington gegen die Angriffe und kritisieren zudem das Vorhaben der US-Regierung, das Atomabkommen mit dem Iran neu zu beleben.
Die Krise in den Beziehungen zu den USA beschleunigt die Annäherung Saudi-Arabiens an China, das fast die Hälfte seiner Ölimporte aus dem Nahen Osten bezieht. In einem Telefonat mit Chinas Staatschef Xi Jinping lobte der saudische Thronfolger Mohammed bin Salman Peking als „strategischen Partner“. Nach Medienberichten prüft Saudi-Arabien, einen Teil seiner Ölgeschäfte künftig in chinesischen Yuan abzuwickeln statt in US-Dollar.
„Wir sind hier die Experten, und wir machen das schon sehr lange“Suhail al-Masroui Ölminister der Vereinigten Arabischen Emirate