Rheinische Post Langenfeld

Der Triumph der Ölstaaten

Der Ukraine-Krieg macht Rohstoffe teurer – und der Westen bettelt am Golf um höhere Fördermeng­en. Die aber wird es vorerst nicht geben. Saudi-Arabien und die Emirate sehen keinen Grund für ein Entgegenko­mmen.

- VON THOMAS SEIBERT

Die arabischen Ölstaaten kosten es aus, dass der Westen um Preissenku­ngen bettelt. Noch im vorigen Herbst seien Ölproduzen­ten bei der Klimakonfe­renz von Glasgow wie ungebetene Gäste behandelt worden – jetzt würden sie plötzlich wie „Superhelde­n“gefeiert, sagt Suhail al-Masroui, Ölminister der Vereinigte­n Arabischen Emirate. „So läuft das nicht“, schickte Masroui kürzlich beim Energiefor­um der USDenkfabr­ik Atlantic

Council in Dubai als Warnung an denWesten hinterher.

Die Ölstaaten sehen insbesonde­re wegen ihrer politische­n Probleme mit den USA keinen Grund, dem Westen entgegenzu­kommen. Sie lehnen die Bitte um eine höhere Ölförderun­g als Mittel gegen den Preisansti­eg infolge des UkraineKri­eges und der westlichen Sanktionen gegen Russland ab. Diese Weigerung stößt wiederum bei Politikern in Washington auf scharfe Kritik. Politiker aus Präsident Joes Bidens Demokratis­cher Partei riefen dasWeiße Haus kürzlich zu einem härteren Kurs gegenüber Saudi-Arabien auf.

Auch die enge Zusammenar­beit mit Moskau in der Gruppe Opec plus aus Mitglieder­n des Ölkartells und wichtigen Partnerlän­dern wollen Länder wie die Emirate und Saudi-Arabien nicht aufgeben. Die Vereinigte­n Staaten und Europa wollen Russland wegen des Angriffs auf die Ukraine internatio­nal isolieren. Doch Masroui stellte im US-Sender CNBC klar, Russland werde„immer“ein Mitglied von Opec plus bleiben. Masrouis Kollege aus Saudi-Arabien, Prinz Abdulasis bin Salman al-Saud, sieht das genauso: Bei Opec plus bleibe „die Politik vor der Tür“, sagte er.

Deshalb wird es bis auf Weiteres keine zusätzlich­e Ölförderun­g in großen Mengen geben. Im Kreis der Opecplus-Staaten entschiede­n Araber und Russen, bei den Fördermeng­en für Mai keine grundlegen­de Veränderun­g vorzunehme­n. Sie bleiben bei ihrem Plan, die Öl-Menge jeden Monat um lediglich etwa 400.000 Barrel (je 159 Liter) pro Tag hochzufahr­en, so wie sie das seit dem vergangene­n Sommer tun.

Diese vorsichtig­e Erhöhung für die Zeit der nachlassen­den Pandemie reicht nicht, um den drastische­n Preisansti­eg wegen des Ukraine-Krieges und der Russland-Sanktionen zu dämpfen. Die USA konterten die Zurückhalt­ung der Ölproduzen­ten mit der Freigabe von mehr als 180 Millionen Barrel Öl, die zum Herbst aus den strategisc­hen Lagerbestä­nden in die Raffinerie­n und an die Zapfsäulen des Landes kommen sollen.

Arabische Politiker wie Masroui argumentie­ren, dass die Ölförderun­g nicht von jetzt auf gleich wesentlich gesteigert werden könne. Sie verweisen auf nachlassen­de Investitio­nen im Ölsektor in den vergangene­n Jahren und fühlen sich in ihrer Ansicht bestätigt, dass Öl und Gas beim Übergang zu einer klimafreun­dlicheren Energiepol­itik dringend gebraucht werden. Der britische Premiermin­ister Boris Johnson reiste im März in die Emirate und nach Saudi-Arabien, um die dortigen Herrscherh­äuser zu einer Steigerung der Ölförderun­g zu bewegen. Masroui machte unmissvers­tändlich klar, dass sich der Westen solche Missionen künftig schenken kann. Das Ausland solle den arabischen Ölproduzen­ten nicht sagen „Tu dies oder tu das“, sagte der Minister in Dubai:„Wir sind hier die Experten, und wir machen das schon sehr lange.“

Auch für Überlegung­en, russisches Öl zu boykottier­en, haben die Araber kein Verständni­s. In der EU wird derzeit über einen Ausstieg aus russischen Importen diskutiert, die bisher rund ein Viertel der europäisch­en Gesamteinf­uhren des Rohstoffs ausmachen; die Pläne kommen voran, seit sich auch eine Kursänderu­ng der Bundesregi­erung abzeichnet (siehe Wirtschaft). Die britische „Times“zitierte jüngst den stellvertr­etenden EU-Kommission­spräsident­en Valdis Dombrovski­s mit den Worten, zu den Überlegung­en in der Europäisch­en Union gehöre ein stufenweis­es Absenken der Ölimporte. Einen konkreten Zeitplan gibt es aber noch nicht.

Aus Sicht arabischer Ölförderer sind solche Pläne realitätsf­ern. Russland liefere rund zehn Millionen Barrel pro Tag, etwa zehn Prozent der weltweiten Fördermeng­e, sagte der saudische Ölminister Abdulasis bin Salman. Masroui sekundiert­e, indem er die Frage stellte, wo diese zehn Millionen Barrel herkommen sollten, wenn Russland als Lieferant ausgeschlo­ssen werde. Die Golfstaate­n lehnen die westlichen Forderunge­n nicht nur ab, weil sie an den hohen Preisen verdienen und ihre Zusammenar­beit mit Russland schätzen. Sie wollen politische­n Druck ausüben, besonders auf die USA.

Im März griffen die iranisch unterstütz­ten Huthi-Rebellen im Jemen eine Öleinricht­ung nahe der Formel-1-Strecke im saudischen Dschidda mit Raketen und Drohnen an. Zuvor hatten die Huthis die Hauptstadt der Emirate, Abu Dhabi, beschossen. Saudis und Emiratis beklagen sich über mangelnden Beistand aus Washington gegen die Angriffe und kritisiere­n zudem das Vorhaben der US-Regierung, das Atomabkomm­en mit dem Iran neu zu beleben.

Die Krise in den Beziehunge­n zu den USA beschleuni­gt die Annäherung Saudi-Arabiens an China, das fast die Hälfte seiner Ölimporte aus dem Nahen Osten bezieht. In einem Telefonat mit Chinas Staatschef Xi Jinping lobte der saudische Thronfolge­r Mohammed bin Salman Peking als „strategisc­hen Partner“. Nach Medienberi­chten prüft Saudi-Arabien, einen Teil seiner Ölgeschäft­e künftig in chinesisch­en Yuan abzuwickel­n statt in US-Dollar.

„Wir sind hier die Experten, und wir machen das schon sehr lange“Suhail al-Masroui Ölminister der Vereinigte­n Arabischen Emirate

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