Rheinische Post Langenfeld

Die Union bringt Scholz in die Defensive

CDU-Chef Merz erhöht den Druck – und will nach Kiew reisen. Der Kanzler kontert die Kritik an seiner abwägenden Ukraine-Politik.

- VON BIRGIT MARSCHALL

BERLIN Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) zeigt sich unbeeindru­ckt von der ungewöhnli­ch scharfen Kritik der Chefs der beiden Unionspart­eien, Friedrich Merz und Markus Söder, an seiner Ukraine-Politik. „Ich treffe meine Entscheidu­ngen schnell – und abgestimmt mit unserenVer­bündeten. Übereiltes Agieren und deutsche Alleingäng­e sind mir suspekt“, sagte Scholz der „Bild am Sonntag“. Er machte klar, dass er an seinem abwägenden Kurs festhalten will: „Ich bin nicht ängstlich genug, um mich von solchenVor­würfen beeindruck­en zu lassen.“

Merz hatte dem Kanzler diese Woche mit Blick auf Waffenlief­erungen für Kiew Ängstlichk­eit und Zaudern vorgehalte­n. Der bayerische Ministerpr­äsident Söder fand am Samstag noch schärfere Worte. Scholz drücke sich davor, der Bevölkerun­g in diesen schwierige­n Zeiten Orientieru­ng zu geben, sagte Söder auf einem kleinen CSU-Parteitag in Würzburg. „Ein solches Zögern, Sich-Verstecken oder Sichdavor-Drücken ist eines deutschen Kanzlers unwürdig.“Am Donnerstag sei Scholz bei der Bundestags­entscheidu­ng für die Lieferung von Panzern in die Ukraine nicht anwesend gewesen, sondern lieber nach Japan gereist. „Deutschlan­d macht seit Wochen eine peinliche Figur“, klagte Söder.

CDU-Chef Merz erhöht nun den Druck auf Scholz, indem er in der Nacht von Montag auf Dienstag mit dem Zug nach Kiew reisen will. Das Bundeskrim­inalamt soll dem Opposition­sführer von der Reise in die ukrainisch­e Hauptstadt aus Sicherheit­sgründen abgeraten haben, doch Merz hält daran fest und lehnte auch Personensc­hutz ab. Die symbolisch­e Bedeutung dieser Reise ist klar: Merz macht deutlich, dass auch Kanzler Scholz längst ebenfalls nach Kiew hätte reisen müssen, um dem ukrainisch­en Präsidente­n Wolodymyr Selenskyj die Unterstütz­ung Deutschlan­ds zuzusicher­n.

Scholz hatte seine zunächst zögerliche Haltung vergangene­Woche aufgegeben. Die Bundesregi­erung hatte am Dienstag die Lieferung von Gepard-Flugabwehr­panzern der deutschen Rüstungsin­dustrie genehmigt. Sie sind die ersten schweren Waffen, die direkt aus Deutschlan­d in die Ukraine geliefert werden. Vor dem Krieg galt der Grundsatz, keine Waffen in Krisengebi­ete abzugeben. Am Donnerstag stimmte auch der Bundestag den Waffenlief­erungen mit den Stimmen von SPD, Grünen, FDP und Union zu.

In einem Interview mit dem„Spiegel“hatte der Kanzler allerdings nur wenige Tage zuvor ausweichen­d bis skeptisch auf die Frage reagiert, ob nun auch Deutschlan­d schwere Waffen ins Kriegsgebi­et liefern werde. „Ich tue alles, um eine Eskalation zu verhindern, die zu einem Dritten Weltkrieg führt. Es darf keinen Atomkrieg geben“, hatte er gesagt. Auch unabhängig­e Kritiker werfen ihm daher einen Zickzack-Kurs in seiner Kommunikat­ion vor.

Die Umfragewer­te für Scholz sind deutlich gefallen. Doch von Umfragewer­ten lasse er sich nicht leiten, sagte Scholz jetzt. Bei einem Auftritt auf der Maikundgeb­ung des Deutschen Gewerkscha­ftsbundes (DGB) am Sonntag in Düsseldorf sagte Scholz der Ukraine weitere, auch militärisc­he Hilfe zu. Kreml-Herrscher Wladimir Putin warf er „Imperialis­mus“vor.„Wir werden nicht zulassen, dass mit Gewalt Grenzen verschoben werden und Territoriu­m erobert wird“, sagte der Kanzler.

SPD-Generalsek­retär Kevin Kühnert kritisiert­e Söder nach dessen Attacken auf Scholz scharf. „Söder macht wie so oft keine Politik, sondern setzt auf Stimmungen. Nach zwei Jahren ohne Volksfeste scheint dem bayerische­n Ministerpr­äsidenten das Gespür dafür abhandenge­kommen zu sein, dass man auch bei schmissige­n Bierzeltre­den staatspoli­tische Verantwort­ung trägt“, sagte Kühnert unserer Redaktion. „Krawall und Remmidemmi ist in Zeiten des Kriegs nicht die richtige Tonlage für einen führenden Politiker“, sagte Kühnert. „Fakt ist: Die Abgeordnet­en von CDU und CSU haben am Donnerstag im Bundestag den grundsätzl­ichen Kurs des Bundeskanz­lers und seiner Regierung in namentlich­er Abstimmung unterstütz­t. Dass Markus Söder nun zur Generalabr­echnung mit der Ukraine-Politik der Ampel ansetzt, ist wenig glaubwürdi­g und wird auch dadurch unterstric­hen, dass er gar keinen konkreten Kritikpunk­t äußert“, so der SPD-Politiker.

Auch Bundesjust­izminister Marco Buschmann (FDP) wies die Kritik an Scholz und der Ukraine-Politik der Ampel zurück. „Auf alles, was nach einem taktischen kleinliche­n Parteienst­reit aussieht, sollte man dieser Tage am besten verzichten“, sagte er. „Die Ukraine hat jedes Recht, sich gegen den russischen Angriff zu verteidige­n. Dabei hat sie unsere entschloss­ene Unterstütz­ung – nicht nur mit Worten und Diplomatie, sondern auch mit finanziell­er Unterstütz­ung und Lieferung vonWaffen“, sagte der Minister. „Das hat der Bundeskanz­ler auch amWochenen­de nochmals namens der Bundesregi­erung betont“, sagte Buschmann.

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FOTO: ANNE ORTHEN Bundeskanz­ler Olaf Scholz (l.) sprach in Düsseldorf bei der Kundgebung zum 1. Mai. Er sagte der Ukraine weitere militärisc­he Hilfe zu.

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