Rheinische Post Langenfeld

Zwischen Börek und Baklava

Nach zwei Jahren Pandemie können Muslime das Ende des Ramadan endlich wieder in der Gemeinscha­ft feiern. An diesem Montag beginnt das Zuckerfest. Muslimisch­e Familien erzählen, was sie am meisten vermisst haben.

- VON JANA MARQUARDT

DINSLAKEN/WUPPERTAL Es ist das Frühstück mit der ganzen Familie, das ihr so sehr gefehlt hat. Am Morgen des Zuckerfest­es kommen alle bei Yasemin Veziroglus Eltern in Dinslaken zusammen. Ihre Geschwiste­r, Tanten und Onkel, die Cousins, Nichten und Neffen. Bevor sie Lokum essen, Baklava und Börek, machen sie im Garten ein Foto. Das ist Tradition.„Wir stehen alle nebeneinan­der, wie die Orgelpfeif­en“, sagt Veziroglu. „Später schauen wir uns dann an, wie wir uns über die Jahre verändert haben.“Nur Fotos aus den Jahren 2020 und 2021 gibt es nicht. Da saßen alle zu Hause. Das soll dieses Jahr anders werden: Das dreitägige Zuckerfest ab diesem Montag markiert das Ende des Fastenmona­ts Ramadan, diesmal ohne Corona-Einschränk­ungen.

In der Pandemie auf das geliebte Frühstück zu verzichten, war noch mal schwerer.Veziroglu erinnert sich noch gut, wie sie mit ihrem Mann und ihrem kleinen Sohn 2021 in der Küche saß, stolz, dass sie 30 Tage Fasten durchgehal­ten hatte, und alle paar Minuten mit anderenVer­wandten telefonier­te. In den Corona-Jahren hat sie viel mit ihnen gesprochen, hat Börek gebacken und den Tisch festlich gedeckt, doch nichts konnte das Zuckerfest zum Ende des Ramadan ersetzen. Als Jugendbeau­ftragte der Ditib-Moschee Dinslaken redete sie den Mädchen aus der Gemeinde über Zoom gut zu, sagte ihnen, dass bald alles besser werde. Doch manchmal hat sie selbst nicht daran geglaubt.

Als die meisten Corona-Beschränku­ngen vor dem Ramadan 2022 fielen, jubelte Veziroglu. Die rund eine Million Muslime in Nordrhein-Westfalen dürfen wieder ohne Abstand in der Moschee beten und müssen nicht mehr ihren eigenen Gebetstepp­ich mitbringen. Das Zuckerfest wird wieder zum großen Event. Die Kinder klingeln an den Türen und bekommen Bonbons und Kleingeld, die Jüngeren küssen die Hände der Älteren, und jeder Gast, der vor der Tür steht, wird hereingebe­ten und bekommt ein Festmahl vorgesetzt.

Kaan Aygün ausWuppert­al hat die besten Erinnerung­en an das Zuckerfest. Er war als Kind am Abend vorher immer aufgeregt. „Das ist wahrschein­lich vergleichb­ar mit dem Weihnachts­fest bei den Christen“, sagt der 25-jährige Lagerist. Seine Mutter bereitete schon den ganzen Tag Speisen vor, putzte die ganze Wohnung. Er legte seine neue Kleidung heraus, die er für das Fest bekommen hatte, und ging früh schlafen. Denn der nächste Tag begann früher als sonst – eine Stunde nach Sonnenaufg­ang beten Muslime in der Moschee oder auf einem Gebetsplat­z. Dann kehren sie zu ihren Familien zurück und essen gemeinsam. Als kleines Kind hat Aygün Süßigkeite­n von seinen Eltern bekommen, später auch Geld. „Ich habe das immer gespart.“Jetzt, wo er erwachsen ist, fühlt sich das Zuckerfest für ihn nicht mehr so besonders an. Trotzdem freut er sich, wenn die ganze Familie zusammenko­mmt. Es ist selten geworden, dass alle an einem Tisch sitzen.

So ist es auch bei Ali Sak, Vorsitzend­er des Türkischen Elternvere­ins NRW. Er genießt es, dass er wieder mit seiner ganzen Familie in einem Vereinslok­al in Essen feiern kann. 50 Verwandte bringen Reisgerich­te, Hähnchensp­ieße, Lahmacun, Pide, Börek und Baklava mit. Auf Letzteres freut er sich besonders, auch wenn er nicht mehr so viel davon essen kann. „Das setzt jetzt viel schneller an, aber zum Zuckerfest ignoriere ich das mal“, sagt der 56-Jährige.

Die Normalität ist zurückgeke­hrt, auch schon beim Fasten. Veziroglu und ihre Freundin Enise Cetin hörten dem Religionsb­eauftragte­n ihrer Gemeinde wieder live zu, wenn er während des Ramadan täglich aus dem Koran vorlas. Sie standen Seite an Seite mit den anderen Frauen. „Anfangs war das total überwältig­end“, sagt Cetin. „Ich habe so eine unbändige Freude gespürt.“Veziroglu pflichtet ihr bei. „Ja, fast schon überforder­nd, weil ich es gar nicht mehr gewohnt war“, sagt sie.

 ?? FOTO: EMAN HELAL/DPA ?? Für Millionen Muslime endet der heilige Fastenmona­t Ramadan. Beim Zuckerfest gibt es eine reich gedeckte Tafel.
FOTO: EMAN HELAL/DPA Für Millionen Muslime endet der heilige Fastenmona­t Ramadan. Beim Zuckerfest gibt es eine reich gedeckte Tafel.

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